Der Beitrag beschreibt aus dänischer Sicht das Zusammenspiel zwischen den Produktsicherheitspflichten der Wirtschaftsakteure (dazu unter A.) und den Möglichkeiten der Endutzer, Fehler und Schäden geltend zu machen, wenn sich Produkte als gefährlich erweisen und deshalb Sicherheitsmaßnahmen erforderlich machen (dazu unter B.). Schließlich bietet der Beitrag einen kurzen Vergleich mit der Rechtslage in Deutschland und einen Ausblick auf die neue EU-Produktsicherheitsverordnung (dazu unter C.).
A. Die Verpflichtung der Wirtschaftsteilnehmer zur Produktsicherheit nach dänischem Recht
Die dänischen Vorschriften zur Produktsicherheit sind im dänischen Produkt- und Marktüberwachungsgesetz (das Gesetz) festgelegt, das am 01.07.2020 in Kraft getreten ist und die EU-Marktüberwachungsverordnung (EU) 2019/1020 ergänzt. Das Gesetz verpflichtet Hersteller, Händler und Importeure, die zusammenfassend als „Wirtschaftsakteure“ bezeichnet werden, nur sichere Produkte zu vermarkten und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, wenn sich ein Produkt als unsicher erweist.
Nach dem Gesetz müssen die Wirtschaftsakteure sicherstellen, dass die Produkte bestimmte Anforderungen erfüllen und bei ordnungsgemäßer Installation und Wartung sowie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch oder unter vernünftigerweise vorhersehbaren Bedingungen keine Gefahren darstellen. Die zuständige Behörde, in erster Linie die dänische Behörde für Sicherheit und Technologie, ist gemäß Abschnitt 14 des Gesetzes befugt, Durchsetzungsmaßnahmen gegen nicht konforme Wirtschaftsakteure zu ergreifen, u. a. indem sie die Wirtschaftsakteure anweist, die Benutzer vor den Produktrisiken zu warnen, irreführendes Marketing zu unterbinden, die Nichtkonformität zu beheben, den Verkauf oder Vertrieb von Produkten zu stoppen, Produkte vom Markt zu nehmen, zurückzurufen oder zu vernichten.
Das Gesetz berücksichtigt jedoch nicht die Auswirkungen, die die der dänischen Behörde für Sicherheit und Technologie zur Verfügung stehenden Durchsetzungsmaßnahmen auf Benutzer haben können, die nicht konforme Produkte gekauft haben. Die Möglichkeit der Geltendmachung von Ansprüchen wegen Mängeln, z. B. im Zusammenhang mit einem Rückruf, ist daher eine zivilrechtliche Frage, die durch die allgemeinen Vorschriften über die Haftung aus unerlaubter Handlung und das dänische Gesetz über den Verkauf von Waren geregelt wird.
B. Ansprüche aufgrund von Sicherheitsmaßnahmen nach dänischem Recht
Ein Produkt, das von der dänischen Behörde für Sicherheit und Technologie oder vom Wirtschaftsteilnehmer bei normaler Verwendung als potenziell gefährlich eingestuft wird, gilt im Allgemeinen als fehlerhaft. Dies ermöglicht es den Nutzern, Rechtsbehelfe in Anspruch zu nehmen, die sowohl bei Handelsgeschäften als auch bei Verbrauchergeschäften nach dem Gesetz über den Verkauf von Waren zur Verfügung stehen. Je nach Produkt und spezifischem Mangel haben die Nutzer ein Recht auf Nachbesserung, Ersatzlieferung, eine angemessene Minderung des Kaufpreises oder ein Recht auf Rücktritt vom Vertrag und Erstattung des Kaufpreises.
Auch wenn das dem Produkt innewohnende Risiko noch nicht zu einem tatsächlichen Schaden geführt hat, kann es als Defekt angesehen werden und Rechtsbehelfe für Mängel auslösen, wenn der Wirtschaftsteilnehmer entweder freiwillig oder auf Anordnung der dänischen Behörde für Sicherheitstechnologie Präventivmaßnahmen gemäß dem Gesetz ergreift. Auch das bloße Vorhandensein produktbezogener Risiken oder die vorübergehende oder dauerhafte Einschränkung des Benutzerzugangs zum Produkt aufgrund von Sicherheitsmaßnahmen können Mängel darstellen.
Wenn der Wirtschaftsakteur den Mangel innerhalb einer angemessenen Frist behebt, stehen dem Nutzer in der Regel keine weiteren Ansprüche nach dem Kaufrecht zu. Der Nutzer kann jedoch die Erstattung der Mängelbeseitigungskosten und gegebenenfalls den Ersatz des durch den Mangel entstandenen Schadens verlangen. Behebt der Wirtschaftsakteur den Mangel nicht innerhalb einer angemessenen Frist, stehen dem Nutzer weitere Rechtsbehelfe zu, darunter das Recht auf Ersatzlieferung oder Rückgängigmachung des Vertrags.
Wenn der Wirtschaftsakteur das Produkt zurückruft, werden Abhilfemaßnahmen irrelevant. Stattdessen können die Nutzer die Lieferung eines neuen, mangelfreien Produkts oder, bei erheblichen Mängeln, den Rücktritt vom Vertrag und die Rückzahlung des Kaufpreises verlangen. Ein Rückruf, der die sichere Nutzung des Produkts verhindert, gilt in der Regel als erheblich, so dass die Nutzer ihre Rechte auf Rücktritt und Rückzahlung ausüben können.
Verursacht ein Fehler einen Schaden oder Verlust für den Nutzer, z. B. eine Unterbrechung des Geschäftsbetriebs aufgrund der Produktabhängigkeit, kann der Nutzer auch Anspruch auf Schadensersatz nach dem Kaufrecht haben. Damit der Nutzer Schadensersatz verlangen kann, muss das Produkt nicht nur fehlerhaft sein, sondern es müssen auch die Voraussetzungen des Kausalzusammenhangs und der Vorhersehbarkeit erfüllt sein, und der Nutzer muss den Schaden auch nachweisen können.
I. Verjährungsfristen für Ansprüche
Für Mängelansprüche im Sinne des Kaufrechts gilt die allgemeine gesetzliche Verjährungsfrist von zwei Jahren. Bei Fragen der Produktsicherheit gilt die allgemeine zweijährige Verjährungsfrist jedoch nicht, wenn die Behörde für Sicherheitstechnik den Rückruf oder die Vernichtung von Produkten gemäß §§ 54 Abs. 2 und 83 Abs. 4 des Gesetzes anordnet. Dies bedeutet, dass Käufer von zurückgerufenen fehlerhaften Produkten auch nach Ablauf der zweijährigen Verjährungsfrist Ansprüche geltend machen können.
Wichtig ist, dass diese verlängerte Verjährungsfrist nur für Rückrufe und Vernichtungsanordnungen gilt, nicht aber für Anordnungen zur Nachbesserung oder Rücknahme, für die weiterhin die zweijährige Verjährungsfrist gilt. Außerdem gilt die verlängerte Verjährungsfrist nicht, wenn der Wirtschaftsakteur ein Produkt aus eigener Initiative zurückgerufen hat. Daher werden die Wirtschaftsakteure ermutigt, freiwillig wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um eine Verlängerung der Verjährungsfrist zu verhindern.
Indem er freiwillig die erforderlichen Maßnahmen ergreift, um eine festgestellte Gefahr zu vermeiden, kann der Wirtschaftsakteur sicherstellen, dass die Nutzer nach zwei Jahren keine Mängelansprüche mehr geltend machen können. Die Behörde für Sicherheit und Technik kann jedoch immer noch eingreifen und eine Anordnung gegen den Wirtschaftsakteur gemäß dem Gesetz erlassen, wenn die freiwilligen Maßnahmen als unzureichend erachtet werden. In diesem Fall gilt die zweijährige Verjährungsfrist nicht mehr.
II. Fazit
Das Zusammenspiel zwischen dem Gesetz und dem dänischen Kaufrecht schafft starke Anreize für Wirtschaftsakteure, wirksame, freiwillige Maßnahmen zur Gewährleistung der Produktsicherheit zu ergreifen, um damit Anordnungen der Behörde für Sicherheit und Technologie zu vermeiden. Neben der Befriedigung des öffentlichen Interesses an der Schadensverhütung im Allgemeinen wird durch solche freiwilligen Maßnahmen die Wahrscheinlichkeit von Mängelansprüchen und Schadensersatzzahlungen verringert und die Verwaltung von Kosten und Ressourcen erleichtert.
C. Rechtslage in Deutschland und Ausblick
Auch nach deutschem Recht sind Produkte mit Sicherheitsmängeln mangelhaft, so dass dem jeweiligen Käufer Mängelansprüche aus dem Kaufvertrag zustehen. Nach deutschem Recht hat ein von den zuständigen Behörden angeordneter Produktrückruf jedoch keine Auswirkungen auf die Verjährung von vertraglichen Mängelansprüchen, so dass die Verjährungsfrist von zwei Jahren ab Ablieferung des Produkts unverändert bleibt.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass dem Verbraucher durch die neue EU-Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit (Verordnung (EU) 2023/988) neue Ansprüche auf Abhilfe eingeräumt werden. Nach Art. 37 dieser Verordnung muss der für den Rückruf verantwortliche Wirtschaftsakteur dem Verbraucher bestimmte kostenlose Abhilfemaßnahmen anbieten. Im Rahmen dieser neuen Produktsicherheitsregelung hat der Verbraucher die Wahl zwischen mindestens zwei der folgenden drei Abhilfemaßnahmen: Reparatur des zurückgerufenen Produkts, Ersatz des zurückgerufenen Produkts durch ein sicheres Produkt und Erstattung des Wertes des zurückgerufenen Produkts, der mindestens dem vom Verbraucher gezahlten Preis entsprechen muss. Nach der derzeitigen Fassung dieser Verordnung verjähren solche Ansprüche auf Abhilfe nach einem Rückruf nicht. Daher werden die Verbraucher nach dem künftigen europäischen Produktsicherheitsrecht eine neue Möglichkeit haben, im Falle von Produktrückrufen Abhilfe zu verlangen.
Die Produktkanzlei verfügt über ein breites Netzwerk internationaler Kooperationspartner. Dieser Artikel wurde von Jakob Dahl Mikkelsen und Anne-Sophie Kofoed Rasmussen von der Kanzlei Kromann Reumert verfasst, mit denen wir zu produktrechtlichen Fragestellungen in Dänemark seit vielen Jahren zusammenarbeiten. Sie erreichen Jakob Dahl Mikkelsen und Anne-Sophie Kofoed Rasmussen unter folgenden Kontaktdaten: