Derzeit stehen die durch die medial viel beachtete Verordnung (EU) 2023/2055 der Kommission vom 25. September 2023 zur Änderung von Anhang XVII der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) hinsichtlich synthetischer Polymermikropartikel eingeführten, zahlreichen Stoffbeschränkungen in Bezug auf Mikroplastik im Fokus. Die Änderungen betreffen zwar die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH-VO), werden jedoch auch für kosmetische Mittel – zum Teil bereits ab dem 17.10.2023 – gelten (dazu werden wir zeitnah einen separaten Blog-Beitrag veröffentlichen). Dies ist darauf zurückzuführen, dass Stoffbeschränkungen für kosmetische Mittel, die auf der Grundlage der Verordnung (EG) 1223/2009 (KosmetikVO) erfolgen, ausschließlich auf den Schutz der menschlichen Gesundheit abzielen. Daher können und müssen Stoffe in kosmetischen Mitteln, die zugleich zu Umweltgefährdungen führen, ebenfalls beschränkt werden. Diese Beschränkungen erfolgen daher über das Instrumentarium der REACH-VO. Somit sind stets beide Rechtsregime im Hinblick auf anwendbare Stoffbeschränkungen zu beachten.
Neben den genannten Stoffbeschränkungen unter der REACH-VO sollten Betroffene jedoch auch weitere Neuerungen im Kosmetikrecht im Blick behalten. Dieser Beitrag stellt daher die letzten Änderungen der KosmetikVO durch die Verordnung (EU) 2023/1490 in Bezug auf CMR-Stoffe (dazu unter I.) und durch die Verordnung (EU) 2023/1545 in Bezug auf allergieauslösende Duftstoffe (dazu unter II.) vor.
I. Verordnung (EU) 2023/1490 – Einführung neuer CMR-Stoffe
Die Verordnung (EU) 2023/1490 dient der Wahrung der Rechtssicherheit durch die kosmetikrechtliche Übernahme von Einstufungsentscheidungen nach der CLP-Verordnung.
1. Einordnung der VO innerhalb der europäischen Regelungsarchitektur für gefährliche Stoffe
Die Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP-VO) legt einheitliche Anforderungen für die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von chemischen Stoffen und Gemischen gemäß dem Global Harmonisierten System der Vereinten Nationen (GHS) fest. Nach ihrem Erwägungsgrund (1) soll die CLP-VO ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sicherstellen, den freien Verkehr von chemischen Stoffen, Gemischen und bestimmten spezifischen Erzeugnissen gewährleisten und gleichzeitig Wettbewerbsfähigkeit und Innovation verbessern.
Zu diesem Zwecke sieht die CLP-VO im Teil 3 ihres Anhang VI eine harmonisierte Einstufung von Stoffen als karzinogen, mutagen und/oder reproduktionstoxisch (CMR) auf der Grundlage einer wissenschaftlichen Bewertung durch den Ausschuss für Risikobeurteilung (RAC) der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) vor. Die Stoffe werden entsprechend dem Evidenzgrad ihrer CMR-Eigenschaften als CMR-Stoff der Kategorie 1A (Stoffe, die bekanntermaßen karzinogen, mutagen, reproduktionstoxisch sind), der Kategorie 1B (Stoffe, die wahrscheinlich karzinogen, mutagen, reproduktionstoxisch sind) oder der Kategorie 2 (Stoffe, bei denen ein Verdacht besteht, dass sie karzinogen, mutagen, reproduktionstoxisch sind) eingestuft.
Zwar sind kosmetische Mittel im Sinne der KosmetikVO gemäß Art. 1 Abs. 5 lit. c) CLP-VO ausdrücklich vom Anwendungsbereich der CLP-VO ausgenommen. Allerdings nimmt Art. 15 Abs. 1, 2 KosmetikVO seinerseits Bezug auf die CLP-VO. Nach dieser Vorschrift ist die Verwendung von Stoffen, die gemäß Teil 3 des Anhangs VI der CLP-VO als CMR-Stoffe der Kategorie 2 sowie der Kategorien 1A oder 1B eingestuft sind, in kosmetischen Mitteln grundsätzlich verboten.
Die Europäische Kommission stuft im Rahmen der CLP-VO regelmäßig neue CMR-Stoffe ein, die anschließend mit Hilfe von Verordnungen zur Änderung der Kosmetik-VO in Anhang II der KosmetikVO überführt werden. Damit soll trotz der Bereichsausnahme der CLP-VO für kosmetische Mittel ein regulatorischer Gleichlauf hinsichtlich der Auflistung von CMR-Stoffen im Sinne einer größeren Rechtssicherheit hergestellt werden.
2. Grundlage und Inhalt der Verordnung (EU) 2023/1490
Mit der Verordnung (EU) 2023/1490, auch „CMR-Omnibus-Verordnung“ genannt, wird die KosmetikVO im Anschluss an Einstufungsentscheidungen nach der CLP-VO geändert, indem neue CMR-Stoffe aufgenommen werden, deren Verwendung in kosmetischen Mitteln verboten wird. Die mit der Verordnung (EU) 2023/1490 eingeführten Änderungen der KosmetikVO gelten ab dem 01.12.2023.
Zurückzuführen ist diese Änderung der KosmetikVO auf die Delegierte Verordnung (EU) 2022/692 vom 16.02.2022 zur Änderung der CLP-Verordnung zum Zwecke der Anpassung an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt, die am 03.05.2023 im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurde. Die Delegierte Verordnung erweitert die in Anhang VI der CLP-VO enthaltene Liste um insgesamt 39 neue harmonisierte CMR-Stoffe, ändert die Einstufung von 17 bereits im Anhang VI enthaltenen CMR-Stoffen und streicht einen in der Liste enthaltenen CMR-Stoff.
Nach Erwägungsgrund (7) der Verordnung (EU) 2023/1490 war bislang keiner dieser neu eingestuften CMR-Stoffe in der Liste der in kosmetischen Mitteln verbotenen Stoffe nach Anhang II der KosmetikVO aufgeführt. Allein der Stoff 2- Ethylhexansäure (CAS-Nr. 149-57-5) ist in Anhang II aufgeführt – allerdings sind die Salze dieses Stoffes, die durch die Delegierte Verordnung (EU) 2022/692 nun ebenfalls als CMR-Stoff der Kategorie 1B eingestuft werden, nicht in diesem Eintrag enthalten. Damit das Verbot von CMR-Stoffen im Binnenmarkt einheitlich umgesetzt, für Rechtssicherheit gesorgt und ein hohes Schutzniveau für die menschlichen Gesundheit sichergestellt wird, sollen diese Änderungen daher durch die Verordnung (EU) 2023/1490 in den Anhang II der Kosmetik-VO übertragen werden. Die Verordnung (EU) 2023/1490 ändert die KosmetikVO folglich dahingehend, dass insgesamt 30 der 39 neu eingestuften CMR-Stoffe und die Salze des Stoffes 2-Ethylhexansäure (im schon bestehenden Eintrag 1024) in Anhang II der KosmetikVO aufgenommen werden.
Die in der Praxis wohl relevantesten Neuaufnahmen betreffen die Inhaltsstoffe Benzophenon (CAS-Nr. 119-61-9) und Pentasodium Pentetate (CAS-Nr. 140-01-2). Insbesondere Benzophenon ist regelmäßig in Cremes, Shampoos, Parfüms und in Seifen zu finden. Die Hersteller der betroffenen kosmetischen Mittel werden daher spätestens ab dem 01.12.2023 jeweils eine geänderte Formulierung verwenden müssen.
II. Verordnung (EU) 2023/1545 – Erweiterte Kennzeichnungspflichten allergieauslösender Duftstoffe
Die Verordnung (EU) 2023/1545 zur Änderung der KosmetikVO hinsichtlich der Kennzeichnung allergieauslösender Duftstoffe in kosmetischen Mitteln wurde am 26.07.2023 erlassen und gilt seit dem 15.08.2023.
1. Regelungsziel der VO
Ausweislich ihres Erwägungsgrundes (3) ist Ziel der Verordnung, die gesamte Bevölkerung vor der Entwicklung von Duftstoffallergien im Allgemeinen (Primärprävention) und Personen, die bereits gegenüber einem Allergen sensibilisiert sind, vor dem Auftreten von Allergiesymptomen im Besonderen (Sekundärprävention) zu schützen.
Zur Erreichung des Ziels sieht Erwägungsgrund (4) der Verordnung Folgendes vor: Zur Primärprävention erachtet die Europäische Kommission eine Beschränkung allergieauslösender Duftstoffe unter Umständen als ausreichend. Bei sensibilisierten Personen können jedoch auch dann Symptome auftreten, wenn sie Allergenen in einer Konzentration ausgesetzt sind, die unter den zulässigen Höchstwerten liegt. Daher ist es der Kommission zufolge im Rahmen der Sekundärprävention wichtig, Informationen über das Vorhandensein einzelner allergieauslösender Duftstoffe in kosmetischen Mitteln bereitzustellen, damit sensibilisierte Personen den Kontakt mit dem Stoff, auf den sie allergisch reagieren, vermeiden können.
2. Hintergrund und Inhalt der Verordnung (EU) 2023/1545
Art. 19 Abs. 1 lit. g) Kosmetik-VO sieht bereits entsprechende Informationspflichten vor. Danach darf ein kosmetisches Mittel nur auf dem Markt bereitgestellt werden, wenn eine Liste der Bestandteile auf seiner Verpackung erscheint. Die Vorschrift stellt ferner klar, dass auch Riech- und Aromastoffe und ihre Ausgangsstoffe mit den Begriffen „Parfum“ oder „Aroma“ als Bestandteile anzugeben sind. Zusätzlich zu den Begriffen „Parfüm“ oder „Aroma“ ist auch das Vorhandensein von Stoffen anzugeben, die gemäß der Spalte „Sonstige“ in Anhang III KosmetikVO auf der Verpackung aufgeführt werden müssen. Derzeit sind 24 allergieauslösende Duftstoffe, die in den Einträgen 45 und 67 bis 92 des Anhangs III der KosmetikVO aufgeführt sind, in der Liste der Bestandteile anzugeben.
Bereits im Juni 2012 bestätigte der Wissenschaftliche Ausschuss „Verbrauchersicherheit“ (SCCS) auf Ersuchen der Kommission, dass die in den genannten Einträgen des Anhangs III der KosmetikVO aufgeführten allergieauslösenden Duftstoffe nach wie vor relevant sind. Darüber hinaus wurden 56 weitere allergieauslösende Duftstoffe ermittelt, die beim Menschen eindeutig Allergien verursacht haben und die derzeit unter der KosmetikVO nicht einzeln gekennzeichnet werden müssen (vgl. Erwägungsgrund [6] der Verordnung).
Die Europäische Kommission nimmt nunmehr die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Ausschusses „Verbrauchersicherheit“ (SCCS) zum Anlass, um den Anhang III der KosmetikVO – entsprechend den wissenschaftlichen Erkenntnissen – um diese 56 allergieauslösende Duftstoffe zu erweitern. Daher ist nun mit der Verordnung (EU) 2023/1545 in Anhang III der KosmetikVO eine Verpflichtung aufgenommen worden, diese allergieauslösenden Duftstoffe einzeln zu kennzeichnen, wenn sie in einer Konzentration von mehr als 0,001 % in Mitteln, die auf der Haut/in den Haaren verbleiben, und von mehr als 0,01 % in auszuspülenden/abzuspülenden Mitteln vorhanden sind.
Im Zuge der Aktualisierung dieser Liste wurden auch bereits bestehende Einträge zu allergieauslösenden Duftstoffen aus Gründen der Kohärenz und Klarheit begrifflich und strukturell überarbeitet. So wurden nach Erwägungsgrund (8) der Verordnung (EU) 2023/1545 gemeinsame Bezeichnungen der Stoffe an die letzte Fassung des Glossars auf Basis von Art. 33 KosmetikVO (Durchführungsbeschluss (EU) 2022/677 der Kommission vom 31. März 2022 zur Festlegung von Vorschriften zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich des Glossars der gemeinsamen Bezeichnungen von Bestandteilen zur Verwendung bei der Kennzeichnung kosmetischer Mittel) angeglichen und ähnliche Stoffe in gemeinsamen Einträgen zusammengefasst.
3. Übergangsfristen
Die Aktualisierung der Liste allergieauslösender Duftstoffe führt dazu, dass Einträge in Anhang III der KosmetikVO durch eine Kombination bestehender und neuer Beschränkungen erstellt werden. Aus diesem Grund sieht die Verordnung (EU) 2023/1545 Übergangsfristen für Wirtschaftsakteure vor, damit diese neben der Anwendung der bereits bestehenden Beschränkungen ausreichend Zeit haben, um die neuen Beschränkungen einzuhalten und in der Kennzeichnung umzusetzen.
Die Übergangsfristen sind dabei nach der Fußnote „(*)“ zum Anhang der Verordnung (EU) 2023/1545 wie folgt ausgestaltet:
- Kosmetische Mittel, die die betreffenden Stoffe enthalten und bei denen die Beschränkung/en nicht eingehalten wird/werden, dürfen bis zum 31.07.2026 in der Union in Verkehr gebracht und bis zum 31.07.2028 auf dem Unionsmarkt bereitgestellt werden.
- Damit wird den Wirtschaftsakteure ab dem 31.07.2026 eine angemessene Frist von zwei Jahren eingeräumt, um kosmetische Mittel, die den neuen Anforderungen nicht entsprechen, die aber vor dem Geltungsbeginn der neuen Kennzeichnungsvorschriften in Verkehr gebracht wurden, vom Markt zu nehmen, falls sie nicht in dieser Zeit abverkauft werden.
III. Ausblick – Konsequenzen für die Wirtschaftsakteure
Aufgrund der aktuellen Änderungen sowohl der KosmetikVO selbst als auch der REACH-VO werden insbesondere alle Hersteller und Importeure in der Rolle als verantwortliche Personen von kosmetischen Mitteln prüfen müssen, ob diese ab dem jeweiligen Geltungsbeginn der neuen Vorgaben weiterhin ohne Anpassungen verkehrsfähig sind. Andernfalls sollte die Umformulierung und die möglicherweise erforderliche Anpassung der Kennzeichnung mit ausreichendem Vorlauf entsprechend der jeweiligen Übergangsfrist geplant werden. Dies gilt umso mehr für Private-Label-Hersteller, die für die Abstimmung mit ihren jeweiligen Auftragsfertigern noch mehr Zeit einplanen müssen.
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