Referentenentwurf der neuen Medizinprodukte-Anwendermelde- und Informationsverordnung (MPAMIV)

Der Referentenentwurf der neuen Medizinprodukte-Anwendermelde- und Informationsverordnung (MPAMIV) liegt vor – kommen neue Meldepflichten für Händler und Importeure?

Die Umsetzung der Medizinprodukte-Verordnung (EU) 2017/745 (MDR) auf nationaler Ebene nimmt weiter Formen an.

Das Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz (MPEUAnpG) und damit – als dessen Kern – das Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) sind am 05.03.2020 durch den Deutschen Bundestag in 2. und 3. Lesung verabschiedet worden.

Nunmehr liegt auch der Referentenentwurf einer Verordnung zur Anpassung des Medizinprodukterechts an die Verordnung (EU) 2017/ 745 und die Verordnung (EU) 2017/746 (MPEUAnpV) des Bundesministeriums für Gesundheit vor. Es handelt sich um eine Artikelverordnung, deren einzelne Rechtsverordnungen das am 26.05.2020 in Kraft tretende MPDG flankieren werden. Teil dieses Verordnungspakets ist der Entwurf einer Medizinprodukte-Anwendermelde- und Informationsverordnung (MPAMIV). Diese soll künftig die bisherige Medizinprodukte-Meldeverordnung (MPSV) ersetzen.

Nachdem das Vigilanzsystem bereits weitgehend in der MDR geregelt ist, will der nationale Gesetzgeber mit der MPAMIV vor allem den Regelungsauftrag in Art. 87 Abs. 10 MDR umsetzen: „Angehörige der Gesundheitsberufe, Anwender und Patienten“ sollen zur Meldung mutmaßlicher schwerwiegender Vorkommnisse ermutigt werden.

Neue Begriffsbestimmung: „mutmaßliches schwerwiegendes Vorkommnis“

Zentraler Begriff der neuen Meldepflichten der MPAMIV ist das „mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnis“. Art. 87 Abs. 10 MDR gibt diesen Begriff zwar vor, die MDR enthält aber in Art. 2 Nr. 64 und 65 MDR nur die Definitionen des „Vorkommnisses“ und des „schwerwiegenden Vorkommnisses“. Im Rahmen des Vigilanzsystems liegt ein Vorkommnis dann vor, wenn eine produktseitige Fehlfunktion oder Leistungsverschlechterung, einschließlich Anwendungsfehlern aufgrund ergonomischer Merkmale, eine unzulängliche Produktinformation oder unerwünschte Nebenwirkungen festgestellt sind. Als schwerwiegend wird ein solches Vorkommnis eingestuft, wenn es – verkürzt gesagt – zum Tod, zu einer schwerwiegenden Gesundheitsverschlechterung oder zu einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Gesundheit geführt hat oder geführt haben könnte.

Die damit auf nationaler Ebene mögliche und notwendige ergänzende Begriffsbestimmung für ein „mutmaßliches schwerwiegendes Vorkommnis“ soll die Meldepflicht auf Vorfälle erweitern, bei denen nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie auf einer unerwünschten Nebenwirkung, einer Fehlfunktion oder einer Verschlechterung der Eigenschaften oder Leistung eines Produkts, einschließlich Anwendungsfehlern aufgrund ergonomischer Merkmale oder unzulänglicher Produktinformationen beruhen. Denn die von der Meldepflicht betroffenen Personenkreise werden, anders als der Hersteller im Rahmen des Vigilanzsystems, fachlich meist nicht eindeutig beurteilen können, ob tatsächlich etwa eine Fehlfunktion des Produkts vorliegt. Es soll also genügen, dass aus Sicht des Meldepflichtigen bestimmte Anzeichen für ein schwerwiegendes Vorkommnis sprechen.

Für wen sollen die Meldepflichten gelten?

Die Meldepflicht soll gelten für berufliche oder gewerbliche Betreiber oder Anwender von Medizinprodukten sowie für Ärzte und Zahnärzte, denen im Rahmen der Diagnostik oder Behandlung von Patienten mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse mit einem Medizinprodukt bekannt werden. Bei Ärzten oder Zahnärzten kommt es also nicht darauf an, ob sie den Patienten mit dem betroffenen Medizinprodukte versorgt haben. Auch Rechtsmediziner und Pathologen sollen in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse melden.

Die Meldung muss nach dem Referentenentwurf unverzüglich – also ohne schuldhaftes Zögern – gegenüber dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als der für Medizinprodukte zuständigen Bundesoberbehörde erfolgen.

Neue Meldepflichten für Händler und Importeure?

Schließlich soll diese neue Meldepflicht Händler oder Importeure von Medizinprodukten treffen. Dies ist insofern zumindest bemerkenswert, als die MPAMIV explizit dazu dient, den Regelungsauftrag des europäischen Gesetzgebers in Art. 87 Abs. 10 MDR umzusetzen: Danach sollen „Angehörige der Gesundheitsberufe, Anwender und Patienten“ zur Meldung mutmaßlicher schwerwiegender Vorkommnisse „ermutigt“ werden. Importeure und Händler unterliegen als Wirtschaftsakteure bereits nach Art. 13 und 14 MDR ausführlich geregelten Melde-, Informations- und Kooperationspflichten. Fraglich ist daher, ob es für weitergehende Meldepflichten der Wirtschaftsakteure überhaupt einen Regelungsspielraum auf Ebene der Mitgliedstaaten aus der MDR gibt. Auch auf nationaler Ebene erfasst die gesetzliche Verordnungsermächtigung in § 88 Abs. 1 Nr. 7 a MPDG lediglich „das Verfahren für Meldungen von mutmaßlichen schwerwiegenden Vorkommnissen der Angehörigen der Gesundheitsberufe, der Anwender, Betreiber und Patienten, einschließlich der Meldewege und Meldefristen, der Melde-, Berichts-, Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs- und Mitwirkungspflichten“. Auch insofern ist fraglich, ob sich daraus eine Verordnungsermächtigung für derzeit im Referentenentwurf geplante Meldepflichten der Händler und Importeure ergibt.

Für Importeure und Händler würde dies bedeuten, über ihre allgemeinen Informations- und der MDR hinaus neue Meldepflichten nach der MPAMIV in ihrem Beschwerdemanagement zu implementieren und entsprechende Dokumentationen zu führen.

Patientenmeldungen

Schließlich „sollen“ Patienten oder deren Angehörige über mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse ihren Arzt oder Zahnarzt informieren oder aber den Händler, der das Produkt bereitgestellt hat. Daneben „kann“ dem BfArM gemeldet werden. Eine echte Meldepflicht für Patienten und Angehörige besteht danach natürlich nicht. Ein Regelungsgehalt, der über einen bloßen Programmsatz hinausgeht, ist hier also nicht recht zu erkennen. Fraglich ist, ob dies in der Praxis Patienten zu mehr Meldungen ermutigen wird (sie werden die Rechtsverordnung im Zweifel nicht kennen und müssen es auch nicht). Art. 87 Abs. 10 MDR hat gerade für diesen Personenkreis eher das Mittel gezielter Informationskampagnen im Sinn.

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9. März 2020 Prof. Dr. Boris Handorn