Die EU-Verpackungsverordnung (VerpackVO – aktueller Text HIER abrufbar) wird – vergleichbar zur bereits geltenden EU-Batterieverordnung im Batterierecht – das Verpackungsrecht revolutionieren. Die bisherige Fokussierung der Verpackungsrichtlinie (Richtlinie 94/62/EG; VerpackRL) auf den Bereich der dezidiert erweiterten Herstellerverantwortung im Abfallrecht wird aufgebrochen und zu einer Lebenszyklusregulierung transformiert. Damit stehen künftig ebenso die Konzeption und Herstellung wie die Wiederverwendung und -befüllung von Verpackungen im Fokus, um das enorme Aufkommen von Verpackungen und die stetige Zunahme an Verpackungsabfällen in der EU zu minimieren.
I. Anwendungsbereich und Rollen
Zunächst kann festgehalten werden, dass die neu formulierte Verpackungsdefinition in Art. 3 Nr. 1 VerpackVO im Vergleich zur bestehenden Definition in der VerpackRL nicht zu relevanten Veränderung bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs führen dürfte (vgl. Erwägungsgrund (10) zur VerpackVO). Demnach ist eine Verpackung weiterhin jeder „Gegenstand, unabhängig davon, aus welchen Materialien dieser gefertigt ist, der zur Nutzung durch einen Wirtschaftsakteur als Behältnis oder zum Schutz, zur Handhabung, zur Lieferung oder zur Darbietung von Produkten an einen anderen Wirtschaftsakteur oder an einen Endabnehmer bestimmt ist und aufgrund seiner Funktion, seines Materials und seiner Gestaltung nach Verpackungsformat differenziert werden kann“. Dabei sind keine generellen Ausnahmen vom Anwendungsbereich vorgesehen. Es bestehen jedoch einige pflichtenspezifische Ausnahmen, insbesondere für sog. kontaktempfindliche Verpackungen nach Art. 3 Nr. 10 VerpackVO. Dies betrifft beispielsweise Verpackungen für Medizinprodukte, kosmetische Mittel, Arzneimittel und Lebensmittel.
Demgegenüber bringt die neue VerpackVO zahlreiche neue Verantwortlichkeiten und folglich auch bislang im Verpackungsrecht unbekannte Rollen mit sich. Im Zentrum der neuen Vorgaben zur Nachhaltigkeit, Kennzeichnung und Konformitätsbewertung steht der neu eingeführte Erzeuger einer Verpackung. Nach Art. 3 Nr. 14 VerpackVO ist das jede „Person, die Verpackungen oder ein verpacktes Produkt herstellt“. Mit anderen Worten also entweder derjenige, der einen leeren Karton produziert, oder derjenige, der sein Produkt in diesen leeren Karton steckt. Während abstrakt sicherlich beide Akteure als Verantwortliche in Frage kommen, lässt die VerpackVO vollkommen offen, in welchen Fällen der eine Akteur und in welchen der andere in der Praxis als Erzeuger angesehen werden soll. Klar dürfte lediglich sein, dass nicht beide Akteure als verantwortliche Erzeuger ein und derselben Verpackung angesehen werden können.
Vergleichbare Abgrenzungsschwierigkeiten sind auch bei Lieferanten (Art. 3 Nr. 16 VerpackVO – „Person, die Verpackungen oder Verpackungsmaterial an einen Erzeuger liefert“), Importeuren (Art. 3 Nr. 17 VerpackVO) und Vertreibern (Art. 3 Nr. 18 VerpackVO) absehbar. Diese Rollenabgrenzung ist dabei nicht nur theoretischer Natur, sondern wirkt sich direkt auch auf die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und die Kennzeichnung einer Verpackung aus. Hier bleibt daher abzuwarten, ob der EU-Gesetzgeber weitere Konkretisierungen vornimmt, um die erforderliche Rechtssicherheit bei der ganz grundlegenden Rollenabgrenzung zu gewährleisten.
II. Nachhaltigkeit und Kennzeichnung
Wie bereits angedeutet, führen insbesondere die Artt. 5 ff. VerpackVO zahlreiche neue Pflichten für das Verpackungsdesign und die Kennzeichnung von Verpackungen ein. Diese werden nachstehend überblicksartig vorgestellt.
- Die bisher schon bestehenden Stoffbeschränkungen für Verpackungen werden in Art. 5 VerpackVO zunächst fortgeschrieben. Dabei handelt es sich um die spezifischen Beschränkungen für Blei, Cadmium, Quecksilber und sechswertiges Chrom und den Verweis auf die generell auch für Verpackungen geltenden Stoffbeschränkungen aus anderen Rechtsakten, insbesondere der REACH- und POP-Verordnung. Vollkommen neu ist hingegen die Beschränkung in Art. 5 Abs. 5 VerpackVO für PFAS in Verpackungen, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen.
- In Art. 6 VerpackVO werden Anforderungen an die Recyclingfähigkeit von Verpackungen eingeführt. Hierbei werden die beiden Kriterien der recyclingorientierten Gestaltung (ab 2030) und der Recyclingfähigkeit in großem Maßstab (ab 2035) relevant, welche beide mittels weiterer Rechtsakte konkretisiert werden müssen. Falls die jeweiligen Leistungsklassen aus Anhang II VerpackVO nicht erreicht werden, sind die Verpackungen künftig nicht mehr verkehrsfähig. Ausnahmen hiervon sind für in Art. 6 Abs. 11 VerpackVO näher bestimmte Verpackungen, insbesondere für Arzneimittel und Medizinprodukte, vorgesehen.
- Eine weitere Neuerung ist die verpflichtende Einführung von Mindestrezyklatanteilen in Kunststoffverpackungen ab 2030 (Art. 7 VerpackVO). Diese müssen zwar einerseits aus Verbraucher-Kunststoffabfällen zurückgewonnen sein, andererseits aber nicht für jede einzelne Kunststoffverpackung, sondern nur bezogen auf einen spezifischen Betrieb pro Jahr erfüllt sein. Auch von dieser Pflicht sind insbesondere bestimmte Verpackungen für Arzneimittel und Medizinprodukte ausgenommen. Zudem sind alle Verpackungen ausgenommen, bei denen der Kunststoffanteil unter 5 % des Gesamtgewichts ausmacht.
- Durch unterschiedliche Maßnahmen sollen künftig auch unnötig große Verpackungen vermieden werden. Zunächst sieht Art.10 VerpackVO eine Verpflichtung zur Minimierung aller Verpackungen bezogen auf deren Gewicht und Volumen vor. Erzeuger müssen demnach ab 2030 anhand der unterschiedlichen Leistungskriterien aus Anhang IV der VerpackVO bestimmen und begründen, warum eine konkrete Verpackung genau das vorgesehene Gewicht und Volumen haben muss. In diesem Zusammenhang wird in Art. 24 VerpackVO ebenfalls ab 2030 ein Verbot übermäßiger Verpackungen eingeführt, welches sich auf des Leerraumverhältnis zwischen Verpackung und verpackter Ware bezieht. Schließlich verbietet Art. 25 in Verbindung mit Anhang V der VerpackVO bestimmte Verpackungsformate, darunter zahlreiche Einwegverpackungen im Gast- und Beherbergungsgewerbe.
- Die Artt. 11 und 26 ff. VerpackVO enthalten komplexe und bislang nicht immer widerspruchsfreie Pflichten zur Wiederverwendbarkeit und -befüllungsmöglichkeit bestimmter Verpackungen.
- Schließlich wird in Art. 12 VerpackVO die Grundlage für eine EU-weit einheitliche Materialkennzeichnung und für weitere Kennzeichnungen zur Kompostierbarkeit, Pfandpflicht und Wiederverwendbarkeit von Verpackungen gelegt. Diese soll mit der Pflicht zur korrespondierenden Kennzeichnung von Abfallbehältern dazu führen, dass es künftig zu weniger sog. Fehlwürfen kommt und durch eine verbesserte Sammlung auch bessere Recyclingergebnisse erzielt werden können. Zudem soll dadurch der immer dichter werdende Dschungel an nationalen Kennzeichnungsvorgaben wieder gelichtet werden, weil diese ab der Geltung des Art. 12 VerpackVO unzulässig werden dürften. Ebenso prominent wie umstritten ist diesbezüglich derzeit sicher vor allem die TRIMAN-Kennzeichnung in Frankreich. Dies wird voraussichtlich allerdings nicht vor 2029 der Fall sein, da Art. 12 VerpackVO erst dreieinhalb Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung gelten soll. Insoweit muss freilich erst der Durchführungsrechtsakt zur Festlegung der Details der Kennzeichnung rechtzeitig verkündet sein. In formeller Hinsicht ist die Kennzeichnung in aller Regel direkt auf der Verpackung anzubringen und kann durch zusätzliche Angaben in QR-Codes unterstützt werden. Zu beachten ist zudem im Online-Handel, dass die Kennzeichnung für den Endabnehmer vor dem Kauf des Produkts zur Verfügung stehen muss. Dies bedeutet letztlich, dass diese entweder auf Produktbildern oder separat anzuzeigen ist. Schließlich ist noch auf Art. 14 VerpackVO hinzuweisen, der spezifische Vorgaben zu Umweltaussagen auf Verpackungen (Green Claims) enthält.
Alle Vorgaben aus den Artt. 5-12 VerpackVO sind künftig Gegenstand einer neu eingeführten Pflicht zur Konformitätsbewertung durch den verantwortlichen Verpackungserzeuger. Die Konformitätsbewertung muss auf einer technischen Dokumentation für jede Verpackung basieren und im Rahmen einer internen Fertigungskontrolle (also ausdrücklich ohne Beteiligung einer notifizierten Stelle) erfolgen. Die Konformität einer Verpackung ist sodann mittels einer EU-Konformitätserklärung nach dem Muster aus Anhang VIII der VerpackVO zu bestätigen. Eine eigenständige CE-Kennzeichnung für Verpackungen wird jedoch nicht eingeführt (vgl. Erwägungsgrund (109) zur VerpackVO).
III. Weitere Pflichten der Wirtschaftsakteure
Darüber hinaus müssen Erzeuger künftig insbesondere sicherstellen, dass alle ihre Verpackungen eine Typen-, Chargen- oder Seriennummer tragen und mit einer Kennzeichnung zur Erzeugeridentifikation (Name/Handelsname/Marke, Postanschrift und ggf. elektronische Kommunikationsmittel) versehen sind (Art. 15 Abs. 5, 6 VerpackVO). Einer vergleichbaren Kennzeichnungspflicht unterliegen auch Importeure nach Art. 18 Abs. 3 VerpackVO.
Alle Akteure der Lieferkette (Erzeuger, Importeure und Vertreiber) sind zudem verpflichtet, im Fall nichtkonformer Verpackungen Korrekturmaßnahmen einzuleiten bzw. zu veranlassen und die Nichtkonformität in jenen Mitgliedstaaten behördlich zu notifizieren, in denen die Verpackung auf dem Markt bereitgestellt wurde. Beide Pflichten sollen nach dem Wortlaut der Verordnung unabhängig davon gelten, ob mit der Nichtkonformität ein Risiko für den Abnehmer der Verpackung verbunden ist. Damit besteht ein relevanter Unterschied zu den hergebrachten Notifikationspflichten im Produktsicherheitsrecht, die grundsätzlich ein Produktrisiko voraussetzen.
Speziell Importeuren und Vertreibern kommen nach den Artt. 18 Abs. 2, 19 Abs. 2 VerpackVO bestimmte Prüfpflichten im Hinblick auf die ordnungsgemäße Pflichterfüllung durch die Erzeuger zu.
IV. Erweiterte Herstellerverantwortung
Schließlich werden die bisherigen Pflichten im Zusammenhang mit der erweiterten Herstellerverantwortung aus der VerpackRL in die Artt. 44 ff. VerpackVO überführt. Zentraler Akteur hierfür ist und bleibt der Hersteller, der in aller Regel derjenige ist, der in einem Mitgliedstaat niedergelassen ist und in diesem Mitgliedstaat Verpackungen erstmals auf dem Markt bereitstellt (Art. 3 Nr. 15 VerpackVO). Wichtig in diesem Kontext ist jedenfalls, dass die Rollen des Herstellers und des Erzeugers separat betrachtet und zugeordnet werden müssen.
Inhaltlich wird zumindest das Grundgerüst aus nationaler Registrierung, Verantwortlichkeit für die Sammlung, Rücknahme über Systeme und Mengenmeldepflichten beibehalten werden. Im Kontext der Systembeteiligung ist noch auf den Art. 12 Abs. 9 VerpackVO hinzuweisen, der bedauerlicherweise systematisch unglücklich verortet ist. Dieser sieht vor, dass in jedem EU-Mitgliedstaat, in dem die Verpackungen unter ein Regime der erweiterten Herstellerverantwortung fallen, die Erfüllung der entsprechenden Pflichten über ein Symbol in einem QR-Code anzuzeigen ist. Die konkreten Auswirkungen der zahlreichen Detailveränderungen nach den Vorgaben der VerpackVO werden freilich erst dann erkennbar werden, wenn die Mitgliedstaaten ihre nationalen Gesetze an die VerpackVO anpassen. Gerade in Deutschland kann es insoweit möglicherweise zu einer Aufhebung der Unterscheidung zwischen systembeteiligungspflichtigen und nicht systembeteiligungspflichtigen Verpackungen kommen.
Abschließend ist noch auf die ausgeweiteten Informationspflichten aus Art. 55 VerpackVO hinzuweisen. Danach soll die Verbraucherinformation ein weiterer Baustein für eine Reduzierung des Verpackungsmülls und die Vermeidung von Umweltverschmutzung durch Littering sein.
Ausblick
Von der VerpackVO werden wohl beinahe alle Branchen des produzierenden Gewerbes und des Handels in der ein oder anderen Weise betroffen sein. In Kombination mit zahlreichen Unschärfen in der Gesetzgebung ist folglich mit zahlreichen praktischen Auslegungs- und Anwendungsschwierigkeiten in der Anfangsphase zu rechnen. Umso wichtiger ist es, dass sich betroffene Marktakteure frühzeitig auf die neuen Vorgaben vorbereiten, in ihren Lieferketten für größtmögliche Klarheit hinsichtlich der Pflichtenverteilung sorgen und die künftige Rechtsentwicklung durch Beteiligung an den gewiss zahlreichen Konsultationsverfahren für delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte mitgestalten. Insgesamt muss das Verpackungsrecht künftig aus der oftmals zugewiesenen Nische der erweiterten Herstellerverantwortung in das Zentrum der Betrachtung gerückt werden, da ein rechtskonformes Verpackungsdesign eine essenzielle Voraussetzung für die Verkehrsfähigkeit der verpackten Produkte sein wird.
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