Zwei neue Durchführungsverordnungen sollen den Verwaltungsaufwand verringern, das Funktionieren des Binnenmarktes verbessern und die Verfügbarkeit von Tierarzneimitteln durch unterschiedliche Kennzeichnungsaspekte steigern.
A. Durchführungsverordnung (EU) 2024/875
Die Durchführungsverordnung (EU) 2024/875 auf Basis des Art. 17 Abs. 2 TAM-VO dient der weiteren Konkretisierung von Art. 10 Abs. 2 und Art. 11 Abs. 3 TAM-VO in Bezug auf die Kennzeichnung von Primärverpackungen von Tierarzneimitteln. Nach Art. 4 Nr. 25 TAM-VO ist eine Primärverpackung „das Behältnis oder jede andere Form der Verpackung, die unmittelbar mit dem Tierarzneimittel in Berührung kommt“. Während Art. 10 Abs. 1 TAM-VO die auf der Primärverpackungen zulässigen Inhalte vorgibt, regelt Art. 10 Abs. 2 TAM-VO die Form der Kennzeichnung. Die Kennzeichnung durch Abkürzungen und Piktogramme ist auf in der gesamten EU gebräuchliche und in einer Liste auf Basis von Art. 17 Abs. 2 TAM-VO enthaltene beschränkt, um Transparenz zu schaffen und Missverständnisse zu vermeiden.
Die gleiche Regelungsstruktur enthält auch Art. 11 Abs. 2 TAM-VO für die äußeren Umhüllungen von Tierarzneimitteln, also „die Verpackung, die die Primärverpackung enthält“ (Art. 4 Nr. 26 TAM-VO). Beispielsweise ist also ein Blister mit Tabletten die Primärverpackung und die Kartonschachtel, in der der Blister enthalten ist, die äußere Umhüllung.
Die Abkürzungen und Piktogramme sind dabei nur als Option zum Ersatz für (vollständige) schriftliche Informationen vorgesehen, müssen aber bei entsprechenden schriftlichen Hinweisen nicht genutzt werden.
Bei der Anwendung der Abkürzungen und Piktogramme aus Anhang I und II der Durchführungsverordnung (EU) 2024/875 ist jedoch auf die folgenden ergänzenden, formellen Vorgaben aus Art. 1 und 2 der Durchführungsverordnung (EU) 2024/875 zu achten:
- Es dürfen keine anderen als die in den Anhängen enthaltenen Abkürzungen und Piktogramme verwendet werden.
- Abkürzungen und Piktogramme müssen wie in den Anhängen verwendet werden und dürfen nur die dort konkret genannten Texte ersetzen.
- Die Bedeutung verwendeter Abkürzungen und Piktogramme muss in der beigefügten Packungsbeilage im Volltext erläutert werden.
- Die Piktogramme sind in schwarzer Farbe ohne zusätzliche visuelle Gestaltungselemente (wie zum Beispiel Schattierungen) zu verwenden.
- Die Piktogramme müssen sich von der sonstigen Aufmachung der Verpackung deutlich abheben, dürfen die Lesbarkeit der sonstigen Kennzeichnung aber nicht negativ beeinflussen.
Inhaltlich sind die folgenden Abkürzungen der Verabreichungswege in Anhang I vorgesehen: i.m. = intramuskulär, i.v. = intravenös und s.c. = subkutan.
Die zulässigen Piktogramme sind in Anhang II in zwei Abschnitte eingeteilt und ermöglichen einerseits die grafische Darstellung verschiedener Zieltierarten, andererseits ein einheitliches Symbol für den Lagerhinweis „im Kühlschrank lagern“.
Schließlich gilt die Durchführungsverordnung (EU) 2024/875 in zeitlicher Hinsicht ab dem 11.05.2024 mit allen genannten Beschränkungen für die Verwendung von Abkürzungen und Piktogrammen. Nachdem das Verpackungsdesign jedoch Gegenstand der Zulassung eines Tierarzneimittels ist und in der Vergangenheit möglicherweise auch Tierarzneimittel mit anderen Abkürzungen und Piktogrammen auf der Primärverpackung und der äußeren Umhüllung zugelassen wurden, ist hierfür in Art. 3 der Durchführungsverordnung (EU) 2024/875 ein Übergangszeitraum vorgesehen. Demnach dürfen auch alle nun nicht mehr mit rechtskonformen Abkürzungen und Piktogrammen gekennzeichneten Tierarzneimittel, die vor dem 11.05.2024 zugelassen wurden oder sich zu diesem Stichtag bereits im Zulassungsverfahren befinden, bis zum 11.04.2029 weiterhin in Verkehr gebracht werden. Spätestens bis dahin müssen aber alle Zulassungsinhaber, auch von alten Zulassungen, eine entsprechende Änderung der Kennzeichnung vornehmen und hierfür auch eine Änderung der Zulassung beantragen.
B. Durchführungsverordnung (EU) 2024/878
Die zweite Durchführungsverordnung (EU) 2024/878 zur Festlegung einheitlicher Kriterien, unter denen Primärverpackungen als „kleine Primärverpackungseinheiten“ im Sinne von Art. 12 TAM-VO angesehen werden können, basiert auf Art. 17 Art. 3 TAM-VO. Eine klare Festlegung der relevanten Größenkriterien in diesem Kontext ist deshalb wichtig, weil Art. 12 Abs. 1 TAM-VO die erforderlichen Pflichtangaben auf kleinen Primärverpackungseinheiten im Vergleich zu den ansonsten erforderlichen Pflichtangaben für Primärverpackungen aus Art. 10 TAM-VO erheblich einschränkt. Dafür muss jedoch gem. Art. 12 Abs. 2 TAM-VO bei Gebrauch dieser Privilegierung jedenfalls eine äußere Umhüllung mit allen Pflichtangaben aus Art. 11 TAM-VO vorhanden sein.
Art. 1 der Durchführungsverordnung (EU) 2024/878 definiert die folgenden Arten von Primärverpackungen als kleine Primärverpackungseinheiten im Sinne von Art. 12 TAM-VO:
- Blister und Streifen
- Ampullen und andere Einzeldosenbehältnisse
- Verpackungen mit einem Nennvolumen von bis zu 50 ml mit einer weiteren Ausnahmemöglichkeit bei mehrsprachigen Primärverpackungseinheiten für die Behörden der Mitgliedstaaten und die EU-Kommission (im Rahmen des Zulassungsverfahrens) bis zu einem Nennvolumen von 100 ml für verschreibungspflichtige Tierarzneimittel im Sinne von Art. 34 TAM-VO.
Auch in diesem Kontext ist in Art. 2 der Durchführungsverordnung (EU) 2024/878 ein Übergangszeitraum für zum 11.05.2024 bereits zugelassene oder im Zulassungsverfahren befindliche Tierarzneimittel vorgesehen. Diese dürfen im Rahmen der erteilten Zulassung noch bis zum 11.04.2031 in Verkehr gebracht werden, auch wenn deren Primärverpackungen entgegen den Vorgaben der neuen Durchführungsverordnung als kleine Primärverpackungseinheiten eingestuft und gehandhabt wurden bzw. werden. Für alle neuen Zulassungsanträge ab dem 11.05.2024 gelten die Vorgaben aus der Durchführungsverordnung (EU) 2024/878 uneingeschränkt.
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