Dieser Beitrag stellt den Auftakt einer Serie an Blog-Beiträgen mit dem gemeinsamen Titel „Das ändert sich 2024“ dar, in denen die Experten des Teams der Produktkanzlei die relevanten Themen aus ihren jeweiligen Spezialgebieten überblicksartig zusammenfassen.
In diesem Beitrag werden zunächst die bereits beschlossenen und noch im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Veränderungen im produktbezogenen Umweltrecht dargestellt (dazu unter A.). In einem zweiten Teil werden die zahlreichen Vorgaben zu Sorgfaltspflichten in der Lieferkette in den zeitlichen Kontext gestellt (dazu unter B.).
A. Produktbezogenes Umweltrecht
Im weiten, zunehmend komplexeren und dichter verwobenen Netz an nachhaltigkeitsbezogenen Vorgaben für Produkte dürften im Jahr 2024 sicherlich die EU-Batterieverordnung (dazu unter I.) und das Gesetzgebungsverfahren zu einer EU-Verpackungsverordnung (dazu unter II.) im Fokus des Interesses stehen. Allerdings stehen im Jahr 2024 auch in zahlreichen anderen Bereichen wie etwa durch das Inkrafttreten des Einwegkunststofffondgesetzes oder sektorspezifisch Initiativen namentlich im Automobil- und Textilbereich weitreichende Entwicklungen an (dazu überblicksartig unter III.).
I. EU-Batterieverordnung
Die Verordnung (EU) 2023/1542 (sog. EU-Batterieverordnung, im Folgenden „BattVO“) trat zwar bereits am 17.08.2023 in Kraft, gilt jedoch nach ihrem Art. 96 Abs. 2 S. 1 erst ab dem 18.02.2024. Aufgrund weiterer pflichten- und rollenspezifischer Übergangsvorschriften, die an verschiedenen Stellen der Verordnung verankert sind, greifen die allermeisten Pflichten jedoch frühestens ab dem 18.08.2024.
Dies betrifft ganz zentral die Pflichten der Wirtschaftsakteure aus Kapitel VI (Artt. 38 ff. BattVO; vgl. hierzu Art. 96 Abs. 2 S. 2 Buchst. b) BattVO). Während zwar viele der nachhaltigkeitsbezogenen Erzeugerpflichten aus den Artt. 6 ff. BattVO, abgesehen von den Artt. 6, 12, 14 BattVO, erst zu einem späteren Zeitpunkt einzuhalten sein werden, sieht Art. 38 BattVO dennoch einige Vorgaben vor, die bereits ab dem 18.08.2024 umzusetzen sind:
- Jeder Batterie müssen eine klar und verständlich abgefasste, lesbare Betriebsanleitung und Sicherheitsinformationen in den jeweiligen Sprachen der Mitgliedstaaten schriftlich beiliegen, in denen die Batterie in Verkehr gebracht wird.
- Für jedes Batteriemodell muss eine technische Dokumentation nach Anhang VIII der BattVO erstellt und ein Konformitätsbewertungsverfahren nach Art. 17 BattVO durchgeführt werden. Nach erfolgreichem Abschluss ist die Ausstellung einer EU-Konformitätserklärung (Art. 18 BattVO) und die Anbringung einer CE-Kennzeichnung (Artt. 19, 20 BattVO) erforderlich. Im Zusammenhang mit der CE-Kennzeichnung ist darauf hinzuweisen, dass Batterien mit einer CE-Kennzeichnung nicht vor dem 18.08.2024 in Verkehr gebracht werden dürfen. Dies ist bei der zeitlichen Planung der Produktion, der Auslieferung bzw. zollrechtlichen Abwicklung dringend zu berücksichtigen.
- Zudem sind Batterien ab dem 18.08.2024 mit einer Modellkennung und einer Chargen- oder Seriennummer oder einer Produktnummer oder einem anderen Kennzeichen zu ihrer Identifikation zu kennzeichnen (Art. 38 Abs. 6 BattVO). Darüber hinaus müssen Erzeuger ab diesem Zeitpunkt auch ihren Namen, ihren eingetragenen Handelsnamen oder ihre eingetragene Handelsmarke, ihre Postanschrift und – sofern vorhanden – die Internetadresse und die E-Mail-Adresse angeben (Art. 38 Abs. 7 BattVO).
Auch Einführer unterliegen ab dem 18.08.2024 bestimmten Prüf- und Kennzeichnungspflichten:
- Sie müssen sich vergewissern, dass die erforderlichen technischen Unterlagen erstellt wurden sowie das Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt, eine EU-Konformitätserklärung ausgestellt und eine CE-Kennzeichnung angebracht wurde.
- Weiterhin müssen sie sich ebenfalls vergewissern, dass die Betriebsanleitung und die Sicherheitsinformationen in den erforderlichen Sprachen beiliegen.
- Überdies müssen sie prüfen, ob die Kennzeichnungen nach Art. 38 Abs. 6, 7 BattVO durch den Erzeuger angebracht wurden.
- Schließlich muss der Einführer selbst auch seinen Namen, seinen eingetragenen Handelsnamen oder seine eingetragene Handelsmarke, seine Postanschrift und sofern vorhanden die Internetadresse und die E-Mail-Adresse grundsätzlich direkt auf der Batterie angeben (Art. 41 Abs. 3 BattVO). Falls dies nicht möglich ist, kommt eine Kennzeichnung auf der Verpackung oder in einem Begleitdokument in Betracht.
Auch Händler treffen ab dem 18.08.2024 mit dem Einführer vergleichbare Prüfpflichten nach Art. 42 Abs. 1, 2 BattVO.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass trotz des unmittelbar bevorstehenden Geltungsbeginns noch zahlreiche Themen ungeklärt sind, sodass viel Unruhe bei den beteiligten Wirtschaftsakteuren besteht. Dies betrifft u.a. folgende Aspekte:
- Abgrenzung von Geräte- und Industriebatterien mit entscheidenden Auswirkungen auf die Anwendbarkeit der nur für Gerätebatterien geltenden Stoffbeschränkungen für Blei aus Art. 6 in Verbindung mit Ziffer 3 des Anhangs I der BattVO. Dies betrifft insbesondere zahlreiche Anwendungen im Bereich der Notstromversorgung von Produkten, die gegenwärtig vielfach auf Bleiakkumulatoren basiert und für die eine Umstellung innerhalb weniger Monate nicht möglich bzw. zumutbar sein dürfte.
- Verhältnis der Kennzeichnungsanforderungen aus Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit Ziffer 1, 2 des Teils A des Anhangs VI BattVO zu Art. 38 Abs. 6, 7 BattVO. Dies deshalb, weil die genannte Verweiskette aus Art. 13 BattVO die Kennzeichnung aus Art. 38 Abs. 6, 7 BattVO direkt in Bezug nimmt, aus beiden Vorschriften jedoch unterschiedliche Geltungsbeginne (18.08.2024. oder 18.08.2026) und unterschiedliche Ausweichmöglichkeiten bei Unmöglichkeit der Kennzeichnung direkt auf der Batterie folgen.
- Händlerdefinition nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 65 BattVO im Spannungsfeld zwischen nachhaltigkeitsbezogenen Anforderungen (Art. 42 BattVO) und Rücknahmepflichten (Art. 62 BattVO). Die bisherige Definition nimmt Erzeuger und Einführer ausdrücklich aus der Händlerdefinition aus. Dies ist zwar für die Zwecke des Art. 42 BattVO nachvollziehbar und richtig, kann aber bei den Rücknahmepflichten aus Art. 62 BattVO zu erheblichen Regelungslücken führen.
Im Licht der komplexen Pflichtenstruktur, der erforderlichen Auffüllung zahlreicher Details mittels Tertiärrechtsakten durch die EU-Kommission und der bestehenden Unsicherheiten sollten sich betroffene Wirtschaftsakteure schnellstmöglich einen praktikablen Umsetzungsplan erarbeiten und Behörden offen für die Anliegen der Wirtschaftsakteure sein, um die mit der Verordnung intendierte, lebenszyklusorientierte Revolution nicht zum Scheitern zu bringen. Hierfür wird auch eine maßvolle Umgestaltung des deutschen Batteriegesetzes, welche für das Jahr 2024 zu erwarten ist, einen wichtigen Beitrag leisten können.
Weitere Details sind im Einführungswerk Öttinger, „Die EU-Batterieverordnung Neue Pflichten für Akteure der Batteriewirtschaft“ im Beuth-Verlag enthalten.
II. Vorschlag einer EU-Verpackungsverordnung
Nach der EU-Batterieverordnung soll das Verpackungsrecht der zweite Rechtsbereich sein, der von einer bisherigen Abfallbetrachtung zu einer Lebenszyklusregulierung umgebaut wird. Nach ziemlich genau einjährigen Beratungen haben das EU-Parlament und der Rat im November bzw. Dezember 2023 ihre jeweiligen Verhandlungspositionen für die anstehenden Trilogverhandlungen beschlossen. Diese werden nun zeitnah beginnen und sollen mit Nachdruck vorangetrieben werden. Ob ein Abschluss des Trilogs noch vor den EU-Wahlen Mitte 2024 erreicht werden kann, ist angesichts der teilweise weit auseinanderliegenden Verhandlungspositionen ungewiss. Im Lichte einer in den vorliegenden Entwürfen vorgesehen Übergangsfrist von mindestens zwölf oder gar 18 Monaten ab Inkrafttreten der Verordnung werden jedenfalls im Jahr 2024 noch keine Umsetzungspflichten bestehen.
Einige der kontroversen Themen für die Trilogverhandlungen können wie folgt zusammengefasst werden:
- Harmonisierung insbesondere in Bezug auf die Kennzeichnungsvorgaben: Während das Parlament eher für eine Vollharmonisierung ist, spricht sich der Rat für die Beibehaltung von Öffnungsklauseln zu Gunsten mitgliedstaatlicher Ergänzungen aus.
- Definition und Reichweit der Rezyklierbarkeitsanforderungen („design for recycling“)
- Definition und Reichweite von Wiederverwendung und Mehrweglösungen
Lediglich als Randnotiz sei angemerkt, dass das vom BMUV Mitte 2023 angekündigte „Gesetz für weniger Verpackungsmüll“ zur Änderung des Verpackungsgesetzes wohl in der Ressortabstimmung untergegangen ist. Zumindest liegt bislang abgesehen von einem Eckpunktepapier kein veröffentlichter Gesetzesentwurf vor. In Anbetracht des voranschreitenden Gesetzgebungsverfahrens zu einer EU-Verpackungsverordnung ist zumindest in zeitlicher Hinsicht zweifelhaft, ob dieser Gesetzesplan noch weiterverfolgt wird oder werden sollte.
III. Weitere Entwicklungen im Überblick
Trotz dieser beiden Leuchtturmprojekte sollte nicht aus dem Blick geraten, dass im Bereich des produktbezogenen Umweltrechts zahlreiche weitere Anforderungen parallel ausgearbeitet oder in Kraft treten werden.
1. Vorschlag einer Verordnung zur kreislauforientierten Konstruktion von Fahrzeugen und über die Entsorgung von Altfahrzeugen
Mit diesem Vorschlag will die EU-Kommission den Rechtsrahmen für die Konstruktion, Reparatur, Entsorgung und Ausfuhr von Fahrzeugen harmonisieren und im Sinne eines lebenszyklusorientierten Regelungskonzeptes weiterentwickeln. Hierfür sollen die Altfahrzeugrichtlinie 2000/53/EG und die 3R-Typengenehmigungsrichtlinie 2005/64/EG aufgehoben und inhaltlich zusammengeführt werden. Das Gesetzgebungsverfahren befindet sich zwar noch ziemlich am Anfang, wird aber im Jahr 2024 aller Voraussicht nach signifikante Fortschritte machen. Trotz der vorgesehenen Übergangsvorschriften von drei bis sechs Jahren sollten alle betroffenen Wirtschaftsakteure ihre Bedenken klar und deutlich formulieren; denn der Vorschlag leidet in seiner aktuellen Fassung noch an erheblichen Defiziten, die vielfach genau das Gegenteil bewirken würden, was vom Gesetzgeber intendiert ist.
2. Vorschlag zur Überarbeitung der EU-Abfallrahmenrichtlinie – erweiterte Herstellerverantwortung für Textilien und Schuhe
Entgegen der im Hinblick auf die drei vorstehenden Rechtsbereiche beschriebenen Regelungssystematik einer lebenszyklusumspannenden Regulierung soll mit diesem Vorschlag für Textilien und Schuhe „nur“ ein Regime der erweiterten Herstellerverantwortung eingeführt werden. Die Vorgaben zur Kennzeichnung von Textilien, insbesondere zur Faserzusammensetzung, werden voraussichtlich durch eine angekündigte Novelle der EU-Textilkennzeichnungsverordnung (EU) Nr. 1007/2011 verschärft. Über den Weg der Ökodesignregulierung wird es absehbar auch Anforderungen an die nachhaltige Konzeption und Herstellung von Textilien geben. Hierfür liegt gegenwärtig jedoch noch keine konkrete Initiative vor. In zeitlicher Hinsicht wird es im Jahr 2024 jedenfalls in Bezug auf die erweiterte Herstellerverantwortung und die Textilkennzeichnung relevante Entwicklungen geben, wobei nicht damit zu rechnen ist, dass in diesem Jahr schon diesbezügliche Umsetzungspflichten greifen werden.
Weitere Details sind in unserem Blog-Beitrag „Erweiterte Herstellerverantwortung für Textilien und Schuhe“ enthalten.
3. Novellierung der EU-Kosmetikverordnung
Während eine umfassende Novelle der EU-Kosmetikverordnung (EG) Nr. 1223/2009 weiterhin nicht absehbar ist, wurden durch zwei Verordnungen erst kürzlich neue stoffbezogene Vorgaben in die EU-Kosmetikverordnung aufgenommen.
Dies betrifft zum einen die bereits seit dem 01.12.2023 gültige Aufnahme neuer CMR-Stoffe in Anhang II der EU-Kosmetikverordnung durch die Verordnung (EU) 2023/1490. Zum anderen wurden mit der Verordnung (EU) 2023/1545 in Anhang III der EU-Kosmetikverordnung 56 neue allergieauslösende Duftstoffe aufgenommen, für die ab dem 31.07.2026 die einschlägigen Kennzeichnungsvorgaben einzuhalten seine werden.
Weitere Details sind in unserem Blog-Beitrag „Neue Stoffverbote und -beschränkungen im Kosmetikrecht“ enthalten.
4. Elektro- und Elektronikgeräterecht
Trotz mehrfacher Ankündigungen zur Überarbeitung sowohl des Rechtsrahmens für die Sammlung, Rücknahme und Behandlung von Altgeräten nach der Richtlinie 2012/19/EU („WEEE“) als auch der Vorgaben zu Stoffbeschränkungen in Elektro- und Elektronikgeräten nach der Richtlinie 2011/65/EU (im Folgenden „RoHS“) sind in dieser Hinsicht aktuell keine konkreten Entwicklungen absehbar. Dies gilt leider auch weiterhin für die seit Jahren ausstehenden Entscheidungen über Verlängerungsanträge, insbesondere für die Bleiausnahmen nach den Ziffern 6 und 7 des Anhangs III RoHS.
Auch auf nationaler Ebene ist aus der bereits für Herbst 2023 angekündigten Überarbeitung des ElektroG bislang nichts geworden. Daher bleibt abzuwarten, ob im Jahr 2024 ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren eingeleitet werden wird. Lediglich die ElektroGBattGGebV wurde mit Wirkung zum 01.01.2024 im alljährlichen Turnus angepasst. Während im Rahmen der ElektroG-Registrierung überwiegend Gebührenreduzierungen zu verzeichnen sind, verdoppelt sich fast die Quartalsgebühr für registrierte ElektroG-Hersteller. Im Übrigen steigen auch die sonstigen Gebühren im Zusammenhang mit dem ElektroG und dem BattG tendenziell.
5. Einwegkunststofffond
Das EWKFondsG trat in einigen relevanten Teilen zum 01.01.2024 in Kraft. Demnach müssen sich neue Marktakteure, die erfasste Einwegkunststoffprodukte in Verkehr bringen, grundsätzlich seit dem 01.01.2024 beim Umweltbundesamt (im Folgenden „UBA“) registrieren lassen; für bereits vor dem 01.01.2024 am Markt aktive Hersteller gilt eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2024. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die erforderliche Registrierungsplattform „DIVID“ seitens des UBA noch nicht zur Verfügung gestellt wird und daher eine Registrierung aktuell noch nicht möglich ist. Nach Angaben des UBA soll die Plattform zum 01.04.2024 verfügbar sein. Bis dahin können selbstverständlich auch neue Marktakteure ohne eine Registrierung Produkte in Verkehr bringen. Nach „Liveschaltung“ der Plattform erfolge in der ersten Zeit wiederum ein Vollzug nach Augenmaß – so zumindest die aktuelle Aussage des UBA.
Eine Umlage der EU-Plastiksteuer für Plastikverpackungen dürfte schließlich trotz eines entsprechenden Beschlusses der Bundesregierung jedenfalls für das Jahr 2024 wieder vom Tisch sein.
B. Sorgfaltspflichten in der Lieferkette
Wie die Vorgaben an die Produkte selbst nehmen auch die Anforderungen an Sorgfaltspflichten in der Lieferkette einen immer größeren Raum in der Nachhaltigkeitsgesetzgebung und der unternehmerischen Praxis ein. So ist es nicht verwunderlich, dass auch in diesem Bereich im Jahr 2024 relevante Entwicklungen anstehen.
I. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)
Seit dem 01.01.2024 ist das LkSG nicht mehr nur auf Unternehmen ab einer Mitarbeiterschwelle von 3.000 anwendbar, sondern diese liegt nun bei 1.000. Damit fallen nun mehr als doppelt so viele Unternehmen direkt in den Anwendungsbereich. Dies erhöht insbesondere den Druck auf kleine und mittelständische Zulieferer nochmals spürbar.
Darüber hinaus werden wohl auch die Kontrolltätigkeiten des zuständigen BAFA zunehmen. Während dieses im Jahr 2024 lediglich die Benennung von Zuständigkeiten und die Einrichtung von Beschwerdemechanismen im Fokus hatte, wird es nach eigenen Ankündigungen in diesem Jahr insbesondere die Durchführung der unternehmensindividuellen Risikoanalysen auf den Prüfstand stellen. Weil die Risikoanalyse als Grundlage aller Präventions- und Abhilfemaßnahmen als das Herzstück der Sorgfaltspflichten bezeichnet werden kann und die diesbezüglichen Vorgaben des BAFA in den bislang veröffentlichten Handreichungen teilweise deutlich über den Wortlaut des LkSG hinausgehen, dürften erste (gerichtliche) Auseinandersetzungen zu erwarten sein.
Schließlich wird das BAFA nach eigener Ankündigung ab dem 01.06.2024 erstmals die nach den §§ 10, 12 f. LkSG erforderlichen Berichte zur Umsetzung der Sorgfaltspflichten prüfen. Ergänzend dazu greift für bestimmte Unternehmen ab dem Jahr 2024 auch die neu eingeführte Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung nach der sog. Corporate Sustainability Reporting Directive („CSRD“).
II. EU-Richtlinie über Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (CSDDD)
Am 14.12.2023 haben die am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Institutionen eine vorläufige Einigung zur CSDDD verkündet, wobei der konsolidierte Text der Einigung noch nicht öffentlich zugänglich ist. Damit dürfte ihrer Verabschiedung in den kommenden Monaten nichts mehr im Wege stehen. Allerdings werden die Vorgaben der CSDDD aufgrund ihrer Rechtsform als Richtlinie nicht unmittelbar gelten. Vielmehr sind sie zunächst durch die EU-Mitgliedstaaten (in Deutschland im LkSG) umzusetzen. Dafür wird wohl eine Frist bis 2026 vorgesehen sein.
Inhaltlich sind im Vergleich zum aktuellen Stand des LkSG insbesondere eine Ausweitung des Anwendungsbereichs, die Bezugnahme auf weitere geschützte Rechtspositionen und Umweltbelange und die Statuierung einer zivilrechtlichen Haftung zu betonen.
III. Verordnung über Entwaldungsfreie Lieferketten
Die mit der Verordnung (EU) 2023/1115 eingeführten Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit den relevanten Rohstoffen Rinder, Kakao, Kaffee, Ölpalme, Kautschuk, Soja und Holz sind ab dem 30.12.2024 einzuhalten. Allerdings erfordert die Einhaltung der statuierten Sorgfaltspflichten umfassende Vorbereitungsmaßnahmen in Zusammenarbeit mit weltweiten Lieferanten. Daher sollte das Jahr 2024 dazu genutzt werden sollte, Verkehrsfähigkeitshindernisse zum Ende des Jahres zu vermeiden.
Weitere Details sind in unseren Blog-Beiträgen „Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten“ und „Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten im EU-Amtsblatt verkündet“ enthalten.
IV. Vorschlag einer Verordnung über ein Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten auf dem Unionsmarkt
Während das EU-Parlament den Weg für Trilogverhandlungen zum vorliegenden Vorschlag inzwischen freigemacht hat, steht eine initiale Beschlussfassung im Rat noch aus. Allerdings ist mit einer Positionierung des Rates wohl noch in der ersten Hälfte des Jahres 2024 zu rechnen, sodass jedenfalls die Trilogverhandlungen auch zu diesem Vorschlag noch im Jahre 2024 beginnen dürften. Mit einem Abschluss schon vor Ende des Jahres ist jedenfalls nicht zu rechnen.
Fazit und Ausblick
Zusammenfassend bleibt zu konstatieren, dass die produktbezogene Nachhaltigkeitsgesetzgebung gegenwärtig von einer nie dagewesenen Dynamik geprägt ist. Während die grundlegenden Ziele zur Förderung der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes nicht ernsthaft infrage stehen können, bleiben bei der Lektüre beschlossener und vorgeschlagener Gesetze jedoch immer mehr Fragezeichen zurück. Wenn rechtliche Strukturen immer undurchdringlicher werden und sich von den praktischen Gegebenheiten bzw. Machbarkeiten zugunsten von theoretischen Idealvorstellungen lösen, geraten die positiven Ziele oftmals in den Hintergrund detailreicher Auslegungsdebatten. Daher sollte sich der Gesetzgeber künftig wieder mehr darum bemühen, kohärente, lösungsorientierte, verständliche und umsetzbare Anforderungen zu formulieren, um den Fokus aller Beteiligten wieder auf die eigentlichen Ziele zurückzulenken.
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