In unserem ersten Blog-Beitrag zu diesem Thema („Für Unternehmen wird es ernst: neue Sammelklage in Deutschland„) haben wir die wichtigsten Eckpunkte des Entwurfs der der Bundesregierung vorgestellt. Nachstehend fassen wir die wichtigsten Vorschläge des Bundesrates und die Reaktion der Bundesregierung darauf zusammen.
A. Vorschläge zum Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz (VDuG)
Der Bundesrat schlägt vor, dass für Verbandsklagen (d.h. sowohl für Musterfeststellungsklagen als auch für die neu einzuführenden Abhilfeklagen) auf das Verfahren vor den erstinstanzlich zuständigen Oberlandesgerichten die im ersten Rechtszug für Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden sind. Die Bundesregierung stimmt diesem Vorschlag zu. Die – zumindest klarstellende – Regelung erscheint sachgerecht, da das Oberlandesgericht hier in erster Instanz tätig wird und daher als volle Tatsacheninstanz (und nicht als Berufungsinstanz mit der grundsätzlichen Beschränkung auf die Korrektur von Rechtsfehlern) agiert.
Ein weiterer Vorschlag des Bundesrats könnte zu einer spürbaren Erweiterung des Anwendungsbereichs der neuen Verbandsklage führen. Bisher ist eine Verbandsklage nur zulässig, wenn die eingeklagten Ansprüche gleichartig sind, § 15 VDuG. Dies setzt voraus, dass die Ansprüche auf demselben Sachverhalt (oder einer Reihe vergleichbarer Sachverhalte) beruhen und die gleichen Tatsachen- und Rechtsfragen entscheidungserheblich sind. Dies möchte der Bundesrat zum einen dadurch ausweiten, dass es sich nur noch um „im Wesentlichen“ gleiche Tatsachen- und Rechtsfragen handeln soll. Zum anderen sollen individuelle Einwendungen und Einreden – insbesondere die Verjährungseinrede – nach dem Wunsch des Bundesrates einer solchen Gleichartigkeit nicht entgegenstehen. Dies würde ohne die angeregte Klarstellung gerade für die Verjährungseinrede nicht so fern liegen, da es hier oft auf die individuelle Kenntnis oder Möglichkeit der Kenntnisnahme durch den einzelnen Gläubiger ankommt. Die Bundesregierung möchte diese Anregung im weiteren Gesetzgebungsverfahren prüfen.
Der Bundesrat möchte zudem den Anwendungsbereich der im Gesetzesentwurf vorgesehenen Zwangsmittel gegen den Unternehmer erweitern, wenn dieser auf eine entsprechende Aufforderung des Sachwalters hin Ansprüche eines Verbrauchers jenseits einer Zahlung nicht erfüllt. Bisher können nur vertretbare Handlungen des Unternehmers mit den Zwangsmitteln des Zwangsgelds bzw. hilfsweise der Zwangshaft durchgesetzt werden. Der Bundesrat möchte dieses Mittel auch auf unvertretbare Handlungen ausdehnen. Da die Bundesregierung diesem Vorschlag zugestimmt hat, ist wahrscheinlich, dass die erweiterte Zwangsmittelmöglichkeit auch im endgültigen Gesetz stehen wird.
Ferner bittet der Bundesrat, die bisher im Entwurf vorgesehene Frist für Einwendungen des Unternehmers gegen die Schlussrechnung von zwei Wochen zu verlängern. Die Bundesregierung wird diesen Vorschlag prüfen. Da die Frist für den Unternehmer, gerade wenn in einer Verbandsklage hunderte oder sogar tausende einzelne Ansprüche gebündelt werden, sehr kurz erscheint und gleichzeitig die Rechtsfolge einer Versäumung dieser Frist – die Fiktion der Schlussrechnung als anerkannt – einschneidend ist, ist dieser Vorschlag des Bundesrats sicher sachgerecht.
Ferner möchte der Bundesrat, dass der Zeitpunkt, bis zu dem Verbraucher ihre Ansprüche in dem Verbandsklageverfahren anmelden können, deutlich nach hinten verlagert wird. Der aktuelle Entwurf sieht hier bisher vor, dass die Anmeldung von Ansprüchen bis zu zwei Monate nach der ersten mündlichen Verhandlung erfolgen kann. Der Bundesrat möchte jedoch, dass die Anmeldung von Ansprüchen durch Verbraucher noch bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung erfolgen kann. Hier geht es dem Bundesrat ausdrücklich um eine Entlastung der Justiz. Er hofft hier auf einen Bündelungseffekt einer solchen Verbandsklage, die für die Verbraucher auch dadurch attraktiver würde, weil sie ihre Entscheidung einer Anmeldung später und damit auf einer tragfähigeren Informationsgrundlage treffen könnten. Die Bundesregierung sieht an dieser Stelle keinen Anpassungsbedarf. Denn erst durch die Anmeldung erfahren das Gericht und die Parteien, welche Einzelansprüche (und damit auch welches Gesamtvolumen) der konkreten Verbandsklage zugrunde liegen.
B. Weitere Änderungsvorschläge
Ferner spricht sich der Bundesrat für eine erweiterte Möglichkeit der Aussetzung von individuellen Klagen vor dem Hintergrund einer laufenden Verbandsklage aus. Auch diesem Vorschlag will die Bundesregierung nicht folgen; sie will ausdrücklich jedem Verbraucher die Wahl zwischen kollektivem Rechtsschutz in Form einer Verbandsklage oder individuellem Rechtsschutz lassen. Dies ist zu begrüßen.
Schließlich hat der Bundesrat vorgeschlagen, dass schon die schlichte Erhebung einer Verbandsklage an sich die Verjährung aller mit dieser Klage berührten Ansprüche herbeiführen soll. Sicherlich zu Recht hat die Bundesregierung diesen weitreichenden Vorschlag abgelehnt. Es ist allein sachgerecht, dass erst ein Opt-in des jeweiligen Verbrauchers in die Sammelklage zu einer Hemmung der Verjährung seiner Ansprüche führt. Nur so wird sein Individualanspruch auch zum Gegenstand der Verbandsklage.
C. Fazit
Der Bundesrat hat an etlichen Stellen erhebliche Änderungen der Reichweite einer Verbandsklage und der damit verbundenen Vorteile der Verbraucher vorgeschlagen. Die Bundesregierung hat nur einen Teil dieser Änderungen aufgegriffen, allzu weitgehenden Wünschen jedoch eine Absage erteilt.
BT-Drs. 20/6878 ist HIER abrufbar.
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