Vor kurzem hat die Europäische Kommission den Entwurf einer Richtlinie veröffentlicht, mit der – jenseits der bereits bestehenden Gewährleistung – ein Recht auf Reparatur eingeführt werden soll. Nachstehend werden die darin enthaltenen Neuerungen vorgestellt.
A. Anwendungsbereich
Die Richtlinie soll auf bestimmte, von einem Verbraucher gekaufte Waren anwendbar sein und gilt also nur im b2c-Bereich.
Ausdrücklich sollen von dem neuen Recht auf Reparatur nur Mängel außerhalb des gesetzlichen Gewährleistungsrechts umfasst sein. Im Kern wird es daher um Fälle gehen, in denen die gesetzliche Gewährleistungsfrist für die gekaufte Ware bereits verstrichen ist. Nach der Begründung des Entwurfs sollen jedoch auch Konstellationen erfasst werden, in denen der Mangel bei Übergabe der Sache noch nicht vorlag (also mit anderen Worten der Mangel erst in der Sphäre des Verbrauchers verursacht wurde).
Wichtig für das Verständnis der neuen Regelung ist, dass nicht sämtliche Waren dem Recht auf Reparatur unterfallen sollen, sondern nur die Produktgruppen, die in Anhang II des Entwurfs aufgezählt werden. Hierbei handelt es sich um folgende Produktgruppen, für die Ökodesignanforderungen bestehen:
– Waschmaschinen
– Geschirrspüler
– Kühlschränke
– Elektronische Displays
– Schweißgeräte
– Staubsauger
– Server und Datenspeicherprodukte
– und künftig auch Mobiltelefone, schnurlose Telefone und Tablets
Die entsprechenden Produktgruppen nach Anhang II können künftig noch erweitert werden, wie das im Entwurf für Mobiltelefone, schnurlose Telefone und Tablets bereits angelegt ist.
B. Inhalt der Reparaturpflicht
Wie sich bereits aus den Ausführungen zum Anwendungsbereich ergibt, wird das künftige Recht auf Reparatur ökodesignrechtlich vorgeprägt sein. Das ist sinnvoll, da so über die ökodesignrechtlichen Reparaturvorgaben eine grundsätzliche Reparierbarkeit sichergestellt ist. Der in Art. 5 des Entwurfs enthaltene Verweis auf Anhang II soll sowohl hinsichtlich der spezifischen Reparaturanforderungen als auch bezüglich des jeweiligen Reparaturzeitraums gelten. Beispielsweise soll das Recht auf Reparatur für einen Zeitraum von zehn Jahren bestehen, wenn die in Bezug genommene Regelung im Ökodesignrecht vorsieht, dass für das entsprechende Produkt zehn Jahre lang Ersatzteile vorgehalten werden sollen.
Kern der vorgeschlagenen Regelung ist eine neue gesetzliche Verpflichtung in Art. 5 des Entwurfs, die von der Regelung umfassten Waren kostenlos oder gegen Entgelt zu reparieren, wenn eine Reparatur möglich ist. Die Möglichkeit, die Reparatur auch nur entgeltlich anzubieten, ist insbesondere aufgrund der Regelung geboten, dass der Mangel auch erst vom Endkunden verursacht worden sein kann. Insbesondere in diesen Fällen eines selbst verursachten Mangels wäre es unbillig und kostenmäßig nicht kalkulierbar, auch noch eine oder im Einzelfall sogar mehrfache kostenlose Reparaturen vorzusehen.
Durchzuführen hat die Reparatur nach dem vorgestellten Konzept grundsätzlich der Hersteller, wobei die Beauftragung von Subunternehmern ausdrücklich zulässig sein soll. Hat der Hersteller seinen Sitz außerhalb der EU, soll die Reparaturpflicht seinen Bevollmächtigten treffen. Gibt es auch keinen Bevollmächtigten, trifft die Reparaturpflicht stattdessen den Importeur des Produkts. Subsidiär kann auch der Händler für die Reparatur verantwortlich sein, wenn es auch keinen Importeur geben sollte. Durch die ausführliche und weitreichende Regelung soll erkennbar sichergestellt werden, dass die Verbraucher für die umfassten Produkte einen Schuldner der Reparaturpflicht innerhalb der EU haben.
Flankiert wird die zentrale Reparaturpflicht insbesondere von folgenden weiteren Regelungen:
Dem Entwurf zufolge sollen die Hersteller verpflichtet werden, die Verbraucher über die Reparaturpflicht und über die entsprechenden Reparaturdienste zu informieren. Dies soll insbesondere über spezielle Online-Plattformen geschehen können, die die Mitgliedsstaaten bereitstellen sollen.
Dafür soll ein spezielles Formblatt eingeführt werden, mit dem bestimmte Informationen zu einer Reparatur zur Verfügung zu stellen sind. Dieses soll dem Verbraucher auf Anforderung von dem Reparateur (also auch von dem nach Art. 5 Verpflichteten) vor Abschluss des Reparaturvertrags zur Verfügung gestellt werden. Immerhin kann der Reparateur die Kosten verlangen, die das Zurverfügungstellen des Formblattes für ihn verursacht.
Wichtig ist auch die Regelung in Art. 12 des Entwurfs, mit der über das neue Recht auf Reparatur hinaus auch die europäische Warenkaufrichtlinie modifiziert werden soll. Demzufolge soll das bisher im Rahmen der kaufrechtlichen Nacherfüllung bestehende freie Wahlrecht des Käufers zwischen beiden Nacherfüllungsvarianten eingeschränkt werden. Künftig soll im Rahmen der kaufrechtlichen Nacherfüllung in allen Fällen eine Nachbesserung erfolgen, in denen eine Nachlieferung mindestens so teuer wie die Reparatur ist. Absehbar wird es daher auch innerhalb des bestehenden Gewährleistungsrechts zu mehr Reparaturen im Rahmen einer Nacherfüllung kommen; dieser kaufrechtliche Vorrang der Reparatur trifft aber den Verkäufer als Schuldner des Nacherfüllungsanspruchs.
Zu erwähnen ist schließlich, dass der vorliegende Entwurf auch in den Anhang der europäischen Verbandsklagenrichtlinie aufgenommen werden soll (wir haben berichtet: Für Unternehmen wird es ernst: Neue Sammelklage in Deutschland). Damit wird das neue Recht auf Reparatur auch „verbandsklagefähig“ sein, also von zahlreichen Verbrauchern gebündelt gegen den Schuldner, in der Praxis wohl meist gegen den Hersteller, gerichtlich geltend gemacht werden können.
C. Fazit
Insgesamt wird die Zahl der Reparaturen von Verbraucherprodukten in der EU zunehmen. Verbraucher werden künftig einen direkten Anspruch auf Reparatur insbesondere gegen den Hersteller des Produkts haben. Die Schaffung der entsprechenden Reparaturmöglichkeiten wird für die Hersteller (und ggf. die anderen Verpflichteten) zusätzlichen Aufwand bedeuten. Hinzu kommt das Risiko, künftig EU-weit entsprechenden Sammelklagen zahlreicher Verbraucher ausgesetzt zu sein.
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