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Das ändert sich 2023: Chemikalienrecht

Das ändert sich 2023: Chemikalienrecht

Das Jahr 2023 bringt zahlreiche gesetzliche Veränderungen für betroffene Wirtschaftsakteure in allen Rechtsbereichen mit sich, auf die wir uns als Produktkanzlei spezialisiert haben. Dieser Beitrag befasst sich mit wesentlichen Neuregelungen im Chemikalienrecht.

Zunächst werden die gesetzgeberischen Prioritäten der EU für die kommenden beiden Jahre zusammengefasst (dazu unter A.). Im Anschluss wird die Kommissionsempfehlung „Safe and sustainable by design” vorgestellt (dazu unter B.), bevor die einzelnen Rechtsakte REACH (dazu unter C.), CLP (dazu unter D.), BiozidVO (dazu unter E.) und POP (dazu unter F.) im Detail in den Blick genommen werden.

A. Gesetzgeberische Prioritäten der EU für 2023 und 2024

Unter dem 23.12.2022 haben das Europäische Parlament, der Rat und die Europäische Kommission eine gemeinsame Erklärung zu den gesetzgeberischen Prioritäten der EU für die beiden kommenden Jahre vorgelegt (2022/C 491/01). Neben anderen Punkten bleiben die Umsetzung des „Green Deal“ und die damit zusammenhängenden Rechtssetzungsvorhaben ein politisches Ziel oberster Priorität. Wenngleich die einzelnen Themen, die unter diesem Ziel zusammengefasst sind, vielfältig bleiben, zählen hierzu insbesondere auch Aspekte der Chemikalienregulierung wie z.B. die Verschmutzung durch Mikroplastik oder nachhaltiges Produktdesign. Auch die Bekämpfung von Umweltkriminalität soll mit oberster Priorität angegangen werden. Dabei zielt die Revision der Umweltstrafrechtsrichtlinie 2008/99/EG u.a. auch auf die Einführung bzw. Verschärfung empfindlicher Sanktionen für Verstöße gegen REACH, BPR, RoHS und anderer Regelwerke ab.

B. Kommissionsempfehlung „Safe and sustainable by design”

Bereits unter dem 08.12.2022 hat die Kommission die Empfehlung (EU) 2022/2510 zur Schaffung eines europäischen Rahmens für „inhärent sichere und nachhaltige“ (safe and sustainable by design, SSbD) Chemikalien und Materialien vorgelegt. Vorranging handelt sich hierbei zwar lediglich um einen Rahmen, der die Weichenstellungen für Forschungs- und Innovationsvorhaben vornehmen und damit die Grundlage für Anreize durch die EU und die Mitgliedstaaten in Forschung, Wissenschaft und Industrie schaffen soll. Dennoch wird der Rahmen insofern unmittelbare Auswirkungen auf Aspekte der Chemikalienregulierung haben, als die Kriterien für die Sicherheits- und Nachhaltigkeitsbewertung bereits festgelegt werden. Ausgangspunkt jeder entsprechenden Bewertung ist dabei die Bestimmung der Gefahreneigenschaften der Stoffe oder Materialien auf der Grundlage der Vorgaben der CLP. Beachtlich ist dabei, dass die Kommission ausdrücklich auch die Anwendung von Kriterien für Gefahreneigenschaften zulässt, die (noch) nicht als Gefahrenklassen nach CLP eingeführt sind, wie etwa PBT, vPvB, PMT, vPvM oder ED. Unabhängig davon werden sämtliche Gefahrenklassen gem. CLP berücksichtigt. Allerdings führt nicht jede Gefahreneigenschaft auch zwangsläufig dazu, dass eine entsprechend einzustufender Stoff als nicht inhärent sicher bzw. nachhaltig einzuordnen wäre. Denn die Bewertung erfordert auch und die Untersuchung von Gesundheits- und Sicherheitsaspekten bei Herstellung und Vertrieb (Schritt 2), von Gesundheits- und Umweltaspekten bei der endgültigen Anwendung (Schritt 3) und der ökologischen Nachhaltigkeit (Schritt 4).

Auch wenn die Empfehlung der Kommission betont, dass insbesondere die Sicherheits- und Nachhaltigkeitsbewertung keine Auswirkungen auf die für Chemikalien und Materialien geltenden rechtlichen Verpflichtungen der Union hat, wird die Berücksichtigung der Erkenntnisse auch und gerade bei der Festlegung und Fortentwicklung des Rechtsrahmens zu erwarten sein. Insbesondere wird abzuwarten sein, ob und in welcher Weise die Erkenntnisse aus entsprechenden Bewertungen etwa im Rahmen der Gestaltung von Ausnahmen von Zulassungspflichten oder Beschränkungen gem. REACH berücksichtigt werden. Aber auch die Bewertung von Ausnahmeanträgen nach RoHS, die Gestaltung von Verfahren nach BPR oder auch die Festlegung von Vorgaben nach dem in Überarbeitung begriffenen Rechtsrahmen für Ökodesign-Anforderungen steht zu erwarten.

C. REACH

I. Revision

Wie schon zu Beginn des vergangenen Jahres berichtet, steht eine der weitreichendsten Veränderungen mit der Revision der REACH-Verordnung an. Die wesentliche Zielsetzungen einer Anpassung der REACH-Verordnung folgen dabei der „Chemicals Strategy for Sustainability”. Folglich werden Maßnahmen zur zielgerichteten Umsetzung von Anforderungen für sogenannte „safe and sustainable by design chemicals“, zur Einführung von „non-toxic material cycles“ und der Etablierung eines „essential use concepts” im Fokus stehen. Daneben werden die gefährlichsten Stoffe wie auch endokrine Disruptoren ebenso in den Blick genommen, wie Bewertungskriterien für Gemische.

Im Zusammenhang mit der Revision beauftragte Studien sind weitgehend abgeschlossen, wobei v.a. die Bewertung einer Reform von Zulassungen und Beschränkungen sowie die Unterstützung bezüglich der Folgenabschätzung zuletzt noch offen waren. Nach verschiedentlichen Verzögerungen wird der Entwurf der beabsichtigten Änderungen im Laufe des Jahres erwartet. Die Annahme eines entsprechenden Vorschlags der Kommission ist nach dem Arbeitsprogramm der Kommission für 2023 vom 18.10.2022 nunmehr für das letzte Quartal 2023 zu erwarten.

II. Stoff- und Dossierevaluierung

Nach Art. 41 Abs. 5 REACH hat die ECHA für die Prüfung der Einhaltung der Anforderungen für Registrierungsdossiers bis zum 31. Dezember 2023 einen Prozentsatz von Dossiers auszuwählen, der mindestens 20 % der Gesamtzahl der bei der Agentur für die Registrierung in Mengenbereichen von 100 Tonnen oder mehr pro Jahr eingereichten Dossiers entspricht. Der „REACH Evaluation Joint Action Plan“ folgt diesem Ansatz bereits.

Die ECHA hat unter dem 13.12.2022 den Entwurf des „Community Rolling Action Plan (CoRAP)“ Updates für die Jahre 2023-2025 vorgelegt. Dieser enthält 24 Stoffe, von denen fünf bereits im Jahr 2023 bewertet werden sollen und weitere 19 in den Jahren 2024 und 2025.

III. Zulassungskandidatenliste

Erwartungsgemäß hat die ECHA unter dem 17.01.2023 eine Aktualisierung der Kandidatenliste vorgenommen und neun weitere Stoffe aufgenommen:

Die Liste umfasst nun 233 Einträge, die unmittelbar sowohl für die Kommunikation in der Lieferkette nach Art. 33 REACH wie auch für Meldungen in die SCIP-Datenbank zu beachten sind. Für etwaige Notifizierungspflichten nach Art. 7 Abs. 2 REACH gilt für die per 17.01.2023 neu aufgenommenen Stoffe zunächst noch eine Übergangsfrist von weiteren sechs Monaten (vgl. Art. 7 Abs. 7 REACH).

Entsprechend der üblichen Praxis der ECHA steht zur Mitte des Jahres eine weitere Ergänzung der Kandidatenliste zu erwarten.

IV. Zulassungsanträge

Für eine Reihe zulassungspflichtiger Stoffe gemäß Anhang XIV zu REACH endet im laufenden Jahr die Frist für die Einreichung von Zulassungsanträgen. Betroffen sind:

Ohne fristgerechten Antrag dürfen die in Rede stehenden Stoffe nur noch bis zu den jeweiligen Ablaufterminen verwendet werden. Dies gilt auch, wenn ein Zulassungsantrag nach Ablauf der Antragsfrist eingereicht wird. In diesem Fall bleibt zunächst die Zulassungsentscheidung abzuwarten, bis die entsprechende Verwendung wieder aufgenommen werden darf. Gleiches gilt für diejenigen Stoffe, für die im laufenden Jahr die entsprechenden Ablauftermine zu verzeichnen sind, ohne dass rechtzeitig entsprechende Zulassungsanträge gestellt wurden (vgl. zu Einzelheiten die Liste der zulassungspflichtigen Stoffe).

Für DEHP, BBP, DBP und DIBP enden in 2023 darüber hinaus spezifische Übergangsregelungen für Zulassungsanträge betreffend spezifische Verwendungen gem. Ziffern 4 bis 7 in Anhang XIV zu REACH.

Darüber hinaus endet zum 01.03.2023 die ergänzende Übergangsfrist für zulassungsrelevante Ablauftermine. Ausnahmen bestehen hier für die Verwendung von Stoffen bei der Herstellung von Ersatzteilen als Erzeugnisse oder als komplexe Produkte für die Reparatur von Erzeugnissen oder komplexen Produkten, deren Herstellung eingestellt wurde oder vor dem im Eintrag für den jeweiligen Stoff genannten Ablauftermin eingestellt wird, wenn der Stoff bei der Herstellung dieser Erzeugnisse oder komplexen Produkte verwendet wurde und diese ohne das Ersatzteil nicht ordnungsgemäß funktionieren und das Ersatzteil ohne diesen Stoff nicht hergestellt werden kann. Auch für die Verwendung des Stoffes (als solchem oder in einem Gemisch) für die Reparatur solcher Erzeugnisse oder komplexen Produkte, wenn der Stoff als solcher oder in einem Gemisch bei der Herstellung dieser Erzeugnisse oder komplexen Produkte verwendet wurde und diese nur unter Verwendung dieses Stoffes repariert werden können, galt die ergänzende Übergangsfrist. Vgl. hierzu Anmerkung Nr. 2 zu Anhang XIV zu REACH, eingefügt gemäß Verordnung (EU) 2020/171.

V. Beschränkungen

Für ein Reihe von Beschränkungen laufen bisherige Ausnahmeregelungen aus:

  • So unterliegt die Verwendung von Blei in Schrotmunition ab dem 15.02.2023 weitergehenden Anforderungen (vgl. Nr. 63 in Anhang XVII zu REACH). Für lineare und verzweigte perfluorierte Carbonsäuren und damit verwandte Stoffe nach Nr. 68 in Anhang XVII zu REACH gelten ab dem 25.02.2023 Herstellungs-, Inverkehrbringens- und Verwendungsverbote. Zudem laufen in 2023 für diese Stoffgruppe verschiedene Übergangsregelungen aus.
  • Unter Eintrag Nr. 72 in Anhang XVII zu REACH gilt für das Inverkehrbringen von Formaldehyd (CAS 50-00-0) in Jacken, Mänteln oder Polsterungen ab dem 01.11.2023 nicht länger ein Grenzwert von 300 mg/kg, sondern die in Anlage 12 angegebene Konzentration von 75 mg/kg.
  • Für Diisocyanate (O = C=N-R-N = C=O, wobei R eine aliphatische oder aromatische Kohlenwasserstoffeinheit beliebiger Länge ist), greifen ab dem 24.08.2023 weitreichende Verbote für die industrielle und gewerbliche Verwendung, einschließlich der Verpflichtung für Arbeitgeber zur Gewährleistung hinreichender Schulungen zur sichereren Verwendung von Diisocyanaten (vgl. Eintrag Nr. 74 in Anhang XVII zu REACH).
  • Bereits seit dem 04.01.2023 ist die Übergangsfrist für die Verwendung von Pigment Blue 15:3 (CI 74160, EC 205-685-1, CAS 147-14-8) und Pigment Green 7 (CI 74260, EC 215-524-7, CAS 1328-53-6) in Gemischen zur Verwendung für Tätowierungszwecke ausgelaufen.
  • Gemäß Eintrag Nr. 76 in Anhang XVII zu REACH gelten für N,N-Dimethylformamid (CAS 68-12-2, EC 200-679-5) ab dem 12.12.2023 Herstellungs- und Verwendungsverbote bei Konzentrationen von ≥ 0,3 %.

Besondere Beachtung verdient darüber hinaus der Vorschlag zur Beschränkung von PFAS, der am 13.01.2023 von Deutschland, Dänemark, den Niederlanden, Norwegen und Schweden vorgelegt wurde. Es steht zu erwarten, dass der Vorschlag auf die Beschränkung der Herstellung, des Inverkehrbringens und der Verwendung von PFAS abzielen wird. Die Stoffgruppe der PFAS entsprechend der OECD Definition umfasst mehr als 4.500 Stoffe, so dass die Beschränkung voraussichtlich eine große Zahl an Verwendungen, Produkten und Branchen betreffen wird. Bereits die vorangegangenen Konsultationen haben dies bestätigt. Die für den Beschränkungsvorschlag verantwortlichen Mitgliedstaaten gehen davon aus, dass die Stoffgruppe insbesondere aufgrund ihrer Persistenz, Wasserlöslichkeit und Mobilität zu einer weltweiten Kontamination von Oberflächen-, Grund- und Trinkwasser sowie des Bodens beiträgt. Beseitigungsmaßnahmen hätten sich als sehr schwierig und äußerst kostspielig erwiesen.

Der Vorschlag wird von der ECHA am 07.02.2023 veröffentlicht. Der Ausschuss für Risikobeurteilung (RAC) und der Ausschuss für sozioökonomische Analyse (SEAC) werden bereits im März 2023 beraten, ob der eingereichte Beschränkungsvorschlag den rechtlichen Anforderungen nach REACH entspricht. Danach sollen die Ausschüsse mit der wissenschaftlichen Prüfung des Vorschlags beginnen. Nach aktuellen Planungen soll zudem ab dem 22.03.2023 eine sechsmonatige öffentliche Konsultation starten. Es bleib abzuwarten, ob und in welchem Umfang die Einreicher des Dossiers Ausnahmen von den vorgeschlagenen Beschränkungen vorschlagen. Betroffenen Industrien und Unternehmen sind allerdings schon jetzt gut beraten, sich auf den späteren Konsultationsprozess vorzubereiten und geeignete, risikobezogene oder auch sozioökonomische Begründungen zu entwickeln, um auf den Erlass geeigneter Ausnahmen hinzuwirken. Weitere Einzelheiten sind der Pressemitteilung der ECHA zu entnehmen.

Auch für weitere Beschränkungen laufen noch verschiedene Konsultationsverfahren, zu denen in 2023 noch Eingaben gemacht werden können.

VI. Weitere Risikomanagementmaßnahmen

Erneut wird auch im laufenden Jahr ein Fokus bei der Umsetzung der REACH-Verordnung auf der Fortführung der integrierten regulatorischen Strategie der ECHA liegen. Die von der ECHA veröffentlichte Liste über die Bewertung des regulatorischen Bedarfs enthält derzeit 2.236 einzelne Einträge (Stand: 22.12.2022). Es steht daher auch für 2023 zu erwarten, dass die ECHA betroffene Registranten von Stoffen, für die neue Risikomanagementmaßnahmen erwartet werden, kontaktieren wird. Regelmäßig werden die Registranten aufgefordert, ihre Registrierungsdossiers zu aktualisieren und die Verwendungsinformationen zu überprüfen. Zudem sollen die Registranten in die Lage versetzt werden, die etwaigen Auswirkungen der vorgeschlagenen Maßnahmen vorherzusehen.

VII. Fortlaufende Konsultationsverfahren

Entsprechend der Vielzahl potentieller regulatorischer Ansätze sollten Unternehmen und Verbände auch im Jahr 2022 mit großer Sorgfalt und Aufmerksamkeit die verschiedenen Konsultationsverfahren verfolgen. Dies gilt in besonderer Weise für Aufforderungen zur Einreichung von Bemerkungen und zur Vorlage von Nachweisen, künftige Beschränkungen und Zulassungspflichten wie auch etwaige Versuchsvorschläge. Nur mit zielgerichteter Mitwirkung in den entsprechenden Konsultationsverfahren von Seiten der Industrie lassen sich regulatorische Fehlentwicklungen vermeiden.

VIII. Vollzugsmaßnahmen

Im Rahmen des elften großen Durchsetzungsprojekts des Forums für den Austausch von Informationen zur Durchsetzung, einem Netzwerk von Behörden, die für die Durchsetzung der REACH-, CLP- und PIC-Verordnungen in der EU sowie in Norwegen, Island und Liechtenstein zuständig sind, soll im Jahr 2023 die Überprüfung von Sicherheitsdatenblättern, auch mit Blick auf die neuen Vorgaben nach Anhang II zu REACH, im Fokus stehen.

D. CLP

Im laufenden Jahr verdient die vorgeschlagene Revision der CLP-Verordnung nebst ergänzender Einführung neuer Gefahrenklassen (EDs, PBTs, PMTs etc.) durch delegierten Rechtsakt besondere Beachtung. Gerade der Vorschlag der Kommission zur Einführung neuer Gefahrenklassen ist vor dem Hintergrund der beschränkten Rechtssetzungskompetenzen der Kommission nach Art. 53, Art. 53a CLP kritisch zu bewerten. Die Kommission ist gemäß der CLP-Verordnung nur befugt ist, delegierte Rechtsakte gemäß Art. 53a CLP zur Änderung von Art. 6 Abs. 5, Art. 11 Abs. 3, Art. 12 und 14, Art. 18 Abs. 3 Buchst. b), Art. 23, Art. 25 bis 29, Art. 35 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 und die Anhänge I bis VIII zur Anpassung an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt unter gebührender Berücksichtigung der Weiterentwicklung des GHS, insbesondere etwaiger UN-Änderungen in Bezug auf die Verwendung von Informationen über ähnliche Gemische, und unter Berücksichtigung der Entwicklungen in international anerkannten chemischen Programmen und der Daten aus Unfalldatenbanken, zu erlassen. Die Änderung der CLP-Verordnung zur Einführung neuer Gefahrenklassen fällt nicht unter diese Befugnisse.

Hinzu kommt, dass das Europäische Gericht (EuG) mit Urteil vom 23.11.2022 die Einstufung von Titandioxid durch die EU-Kommission nach Art. 263 AEUV für nichtig erklärt hat. Die dort enthaltene Auslegung des Begriffs der intrinsischen Eigenschaften von Stoffen, die der Einstufung gem. CLP zugrunde liegen, dürfte gerade mit Blick auf die Einführung der neuen Gefahrenklassen für „mobile“ Stoffe (PMT, vPvM) beachtlich sein.

Die ECHA hat ferner eine Reihe von öffentlichen Konsultation Vorschlägen für die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung gestartet, die im Jahr 2023 auslaufen.

E. Biozide

Für das laufende Jahr steht die Fortführung von Verfahren betreffend die Genehmigung von Wirkstoffen im Vordergrund. Der ursprünglich avisierte Abschluss des Arbeitsprogramms bis zum Jahr 2024 dürfte allerdings nicht einzuhalten sein. Es steht daher zu erwarten, dass noch im laufenden Jahr Fragen der Bewältigung der Arbeitslast aus dem laufenden Prüfprogramm und die Fortführung nach 2024 in den Mittelpunkt rücken.

I. Produktzulassungen

Im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (BPR) beginnt für den Wirkstoff L-(+)-lactic acid für die Produktart (PT) 6 am 01.11.2023 der Zeitraum der Wirkstoffgenehmigung. Bis zu diesem Datum sind von betroffenen Unternehmen entsprechende Zulassungsanträge für Biozidprodukte zu stellen, um weitergehende Übergangsfristen in Anspruch nehmen zu können (vgl. Artikel 89 BPR).

II. Meldung von Biozidprodukten

Seit dem 01.01.2022 gilt für Biozidprodukte das Meldeverfahren nach der Biozidrechts-Durchführungsverordnung (ChemBiozidDV, BGBl. I 2021, Nr. 57). Bis zum 31.03.2023 haben Hersteller oder Einführer eines Biozid-Produkts in Deutschland auf dem Markt bereitstellte oder eines hier hergestellten und aus Deutschland ausgeführten Biozid-Produkt bei der Bundesstelle für Chemikalien für das vorangegangene Kalenderjahr

  • die Art und Menge der Biozid-Produkte, die er an Empfänger mit Wohnsitz oder Sitz im Inland abgegeben hat oder die er ausgeführt hat, und
  • die in den abgegebenen oder ausgeführten Biozid-Produkten enthaltenen Wirkstoffe

zu melden. Die Meldung hat für jedes Biozid-Produkt getrennt zu erfolgen und ist unter Angabe des Handelsnamens, der Registriernummer nach der ChemBiozidDV und der bei der Antragstellung vergebenen Fallnummer oder der Zulassungsnummer nach Art. 22 Abs. 2 Buchst. d) der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 zu erfolgen.

F. POP

Bereits am 29.12.2022 ist die Verordnung (EU) 2022/2400 zur Änderung der Anhänge IV und V der Verordnung (EU) 2019/1021 über persistente organische Schadstoffe (POP-Verordnung) in Kraft getreten. Mit der Verordnung werden für einige Stoffe Grenzwerte in Abfällen eingeführt bzw. bereits bestehenden Grenzwerte verschärft. Die Verordnung gilt ab dem 10.06.2023.

Fazit und Ausblick

Auch das Jahr 2023 wird weitreichende Rechtsänderungen mit sich bringen, die Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen bei der Umsetzung der regulatorischen Anforderungen im Bereich des Chemikalienrechts stellt. Eine besondere Anforderung wird gerade darin bestehen, die verschiedenen regulatorischen Entwicklungen auch jenseits des engeren Bereichs des Chemikalienrechts und ihre Auswirkungen auf Produktionsprozesse, Lieferketten und Verkehrsfähigkeitserfordernisse im Blick zu behalten. Gerade die Ausweitung stoffbezogener Regulierungsbestrebungen, wie z.B. im Rahmen der Öko-Design-Anforderungen, kann und wird Erfordernisse im Bereich „material compliance“ für viele Produkte noch stärker in den Fokus rücken.

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18. Januar 2023 Martin Ahlhaus