Nach der RoHS-Richtlinie, die in Deutschland durch die Elektro- und Elektronik-Stoff-Verordnung (ElektroStoffV) in nationales Recht umgesetzt ist, müssen die EU-Mitgliedstaaten sicherstellen, dass in Verkehr gebrachte Elektro- und Elektronikgeräte keine in Anhang II der Richtlinie aufgeführten gefährlichen Stoffe über den dort genannten Höchstkonzentrationen enthalten. Von den Beschränkungen sind insgesamt zehn Stoffe betroffen, darunter seit dem Jahr 2019 auch DEHP, BBP, DBP und DIBP. Die Beschränkungen gelten jedoch nicht für bestimmte ausgenommene Verwendungen, die wiederum in den Anhängen III und IV RoHS aufgeführt sind. Basierend auf drei verschiedenen Anträgen, die gemäß Art. 5 Abs. 3 RoHS zur Aufnahme neuer Ausnahmen in Anhang IV RoHS gestellt wurden, wurde dieser nun entsprechend ergänzt.
Folgende Einträge wurden angefügt:
Delegierte Richtlinie (EU) 2021/1980
„45. Diethylhexylphthalat (DEHP) in ionenselektiven Elektroden, die in der patientennahen Analyse ionischer Stoffe in menschlichen Körperflüssigkeiten und/oder in Dialysierflüssigkeiten verwendet werden. Läuft am 21. Juli 2028 ab.“
Delegierte Richtlinie (EU) 2021/1979
„46. Diethylhexylphthalat (DEHP) in Kunststoffbauteilen in MRT-Detektorspulen. Läuft am 1. Januar 2024 ab.“
Delegierte Richtlinie (EU) 2021/1978
„47. Diethylhexylphthalat (DEHP), Benzylbutylphthalat (BBP), Dibutylphthalat (DBP) und Diisobutylphthalat (DIBP) in Ersatzteilen, die aus medizinischen Geräten, einschließlich In-vitro-Diagnostika, und deren Zubehör ausgebaut und für die Reparatur und Wiederinstandsetzung derartiger Geräte und deren Zubehör verwendet werden, sofern die Wiederverwendung in einem überprüfbaren geschlossenen zwischenbetrieblichen System erfolgt und jede Wiederverwendung den Verbrauchern mitgeteilt wird. Läuft am 21. Juli 2028 ab.“
Die in den einzelnen Ausnahmen vorgesehene Enddaten sollen es den betroffenen Wirtschaftsakteuren zwar einerseits ermöglichen, bis zu diesem Zeitpunkten zuverlässige Geräte unter Einhaltung der geltenden Stoffbeschränkungen zu entwickeln, tragen aber andererseits auch dem Umstand Rechnung, dass bislang keine ausreichend zuverlässigen Substitutionsmaterialien verfügbar sind, um die notwendige Versorgung mit Gesundheitsausrüstung ohne die gewährten Ausnahmen sicherzustellen.
Die neuen Ausnahmen sind am Tag der Veröffentlichung, also am 15.11.2021, in Kraft getreten und gelten rückwirkend ab dem 21.07.2021. Die rückwirkende Geltung ist deshalb erforderlich, da die Beschränkungen für DEHP, BBP, DBP und DIBP in medizinischen Geräten, einschließlich In-vitro-Diagnostika, grundsätzlich seit dem 22.07.2021 galten (vgl. Anhang II RoHS; § 15 Abs. 3 Nr. 2 ElektroStoffV). Gemäß Art. 2 Abs. 1 der jeweiligen delegierten Richtlinien müssen die Änderungen durch die Mitgliedstaaten bis zum 30.04.2022 in nationales Recht umgesetzt werden. In der Zwischenzeit, d. h. bis zur Umsetzung in nationales Recht, greift der sog. Grundsatz der Vertragstreue (Art. 4 Abs. 3 EUV), sodass die Mitgliedstaaten auf Grund der Vorwirkung der drei Richtlinien auch in dieser Zwischenzeit keine Handlungen vornehmen dürfen, die geeignet sind, das durch die Richtlinie vorgegebene Ziel zu gefährden. In anderen Worten müssen Mitgliedstaaten die neuen Ausnahmen in ihrem nationalen Recht grundsätzlich auch bereits vor einer Umsetzung anwenden, sodass sich betroffene Marktakteure in der Regel bereits jetzt auf diese Ausnahmen berufen können und nicht die an sich geltenden, strengen Stoffbeschränkungen einhalten müssen.
Abschließend sei angemerkt, dass die neuen Ausnahmen selbstverständlich nur hinsichtlich der RoHS-Richtlinie bzw. ElektroStoffV gelten. Darüber hinausgehende Verpflichtungen wie beispielsweise die Zurverfügungstellung von SVHC-Informationen nach Art. 33 REACH und die korrespondierende Meldepflicht in die SCIP-Datenbank werden von den neuen Ausnahmen nicht außer Kraft gesetzt, sondern sind selbstverständlich weiterhin zu erfüllen.
Haben Sie zu dieser News Fragen oder wollen Sie mit dem Autor über die News diskutieren? Kontaktieren Sie gerne: Michael Öttinger