Dieser Beitrag gibt daher ein Update zu den Entwicklungen seit unserem letzten Beitrag zum Referentenentwurf des Lieferkettengesetzes (abrufbar unter: Referentenentwurf des Lieferkettengesetzes liegt vor).
Regierungsentwurf liegt vor
Seit dem 19.04.2021 liegt der Regierungsentwurf des Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten als BT-Drs. 19/28649 vor. Nachstehend werden die zentralen Veränderungen überblicksartig dargestellt.
- Zunächst ist auffällig, dass die Definition des „Risikos“, die im Referentenentwurf noch in § 5 enthalten war, nun in § 2 verschoben wurde und mithin zutreffend im Bereich der Definitionen angesiedelt ist. Hervorzuheben ist dabei, dass die umweltrechtlichen Pflichten zur Einhaltung der Vorgaben aus dem Minamata-Übereinkommen zu Quecksilber und aus dem Stockholmer Übereinkommen zu persistenten organischen Stoffen nun separat ausgewiesen werden.
- Weiterhin wurde im Rahmen der Definition des Begriffs der „Lieferkette“ klargestellt, dass diese „alle Schritte im In- und Ausland“ umfasst.
- Im vollständig neu gefassten § 3 des Regierungsentwurfs werden die einzuhaltenden Sorgfaltspflichten aus den nachfolgenden Paragrafen vorab aufgezählt, was dem Gesetz einen Rahmen gibt und daher zu begrüßen ist. Eine Ausweitung der Pflichten ist mit dieser Zusammenfassung jedoch nicht intendiert.
- Die neu gefasste Bestimmung zum Beschwerdeverfahren sieht nun vor, dass einer unmittelbar betroffenen Person eine Eingangsbestätigung zu geben ist, wenn diese einen Hinweis gibt, und dass der Sachverhalt mit dem Hinweisgeber zu erörtern ist. Hierdurch soll offenbar sichergestellt werden, dass sich Unternehmen auch tatsächlich mit solchen Hinweisen auseinandersetzen und dabei die konkret Betroffenen einbinden.
- Am Kriterium der „substantiierten Kenntnis“ für das Ergreifen von Maßnahmen bei mittelbaren Zulieferern wird auch im Regierungsentwurf festgehalten, jedoch wird weiterhin auf eine gesetzliche Begriffsdefinition verzichtet. Nach der Gesetzesbegründung liegt „substantiierte Kenntnis“ zusammengefasst dann vor, „wenn dem Unternehmen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die eine menschenrechtliche oder umweltrechtliche Verletzung bei einem mittelbaren Zulieferer möglich erscheinen lassen“, wobei die Quelle der diesbezüglichen Informationen irrelevant ist. Allerdings wurde nun eine Verordnungsermächtigung aufgenommen, die es dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ermöglichen soll, diese Kriterien zu konkretisieren. Während es einerseits zu begrüßen ist, dass es zu einer Konkretisierung der Kriterien kommen soll, ist es andererseits der Brisanz der Thematik nicht zuträglich, diese Diskussion aus der parlamentarischen Debatte herauszuhalten.
- Der Regierungsentwurf enthält nun konkrete Vorgaben zu den zu erwartenden Bußgeldern bei Verstößen gegen die Sorgfalts- und damit einhergehenden Berichtspflichten. Nach den Vorgaben aus § 24 Abs. 2 des Entwurfs können gegenüber Unternehmen Geldbußen von bis zu EUR 8.000.000,00 festgesetzt werden. Bei einem Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über EUR 400 Mio. können Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit den zu ergreifenden Abhilfemaßnahmen sogar mit „einer Geldbuße von bis zu 2 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes geahndet werden.“
- Im Zuge der Festlegung der konkreten Bußgelder wurde nun auch festgelegt, ab welchem Mindestbußgeld der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge droht. In Zusammenschau mit den Bußgeldern scheinen die Beträge daher relativ hoch angesetzt.
Ausschussempfehlungen des Bundesrates
Seit dem 27.04.2021 liegen die Empfehlungen der zuständigen Ausschüsse des Bundesrates im Hinblick auf die Inhalte der Stellungnahme des Bundesrates zum Regierungsentwurf vor (Empfehlung abrufbar unter: BR-Drs. 239/1/21), die der Bundesrat am 07.05.2021 beschließen wird.
Es kann festgehalten werden, dass die Ausschüsse verschiedene Änderungen am Entwurf empfehlen, die das Gesetz in wesentlichen Punkten nicht weniger als auf den Kopf stellen würden, was zu weiteren hitzigen Debatten führen dürfte. Die wesentlichen Inhalte der Empfehlungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Ausweitung des Anwendungsbereichs auf alle Unternehmen mit Sitz in Deutschland, unabhängig von der Unternehmensgröße
- Ausweitung des Anwendungsbereichs auch auf ausländische Unternehmen mit Geschäftstätigkeit in Deutschland (vergleichbar zum französischen „Loi de Vigilance“)
- Ausweitung der umweltrechtlichen Sorgfaltspflichten hin zu einer eigenständigen Pflicht zur Beachtung aller indirekten und direkten Beeinträchtigungen von Biodiversität, Boden, Luft, Wasser und Klima
- Beschränkung der Erforderlichkeit von Maßnahmen bei mittelbaren Zulieferern auf Fälle positiver Kenntnis von Verletzungen
- Aufnahme von Vorgaben zur zivilrechtlichen Haftung bei Verstößen
- Streichung der Möglichkeit der besonderen Prozessstandschaft
- Einführung von sog. „Safe-Harbour“-Lösungen
Ausgehend von der tatsächlichen Stellungnahme des Bundesrates wird sodann zu sehen sein, wie sich das Gesetzgebungsverfahren weiter entwickeln wird.
Update vom 07.05.2021
Der Bundesrat hat gegen den Gesetzesentwurf der Bundesregierung, der Empfehlung des federführenden Ausschusses folgen, keine Einwände erhoben (vgl. Bundesrat – Schutz von Menschenrecht in der globalen Wirtschaft). Damit fließen die vorstehend dargestellten Änderungswünsche der mitberatenden Ausschüsse zunächst nicht direkt ins Gesetzgebungsverfahren ein.
Entwurf eines EU-Sorgfaltspflichten-Richtlinie
Parallel zum deutschen Gesetzgebungsverfahren läuft auch auf EU-Ebene ein Verfahren zur Verankerung verbindlicher Vorgaben für menschen- und umweltrechtliche Sorgfaltspflichten in der Lieferkette. Am 10.03.2021 hat das Europäische Parlament Empfehlungen an die Kommission zur Sorgfaltspflicht und Rechenschaftspflicht von Unternehmen (abrufbar unter: P9_TA(2021)0073) verabschiedet, die einen Entwurf einer entsprechenden Richtlinie enthalten.
Die dort vorgeschlagenen Vorgaben gehen sowohl bezüglich des Anwendungsbereichs als auch bezüglich der umfassten Menschen- und Umweltrechte über den vorliegenden Entwurf für ein deutsches Lieferkettengesetz hinaus. So soll die europäische Richtlinie Unternehmen aller Größen und auch bestimmte im EU-Ausland sitzende Unternehmen mit Geschäftstätigkeit in der EU erfassen. Auch gegenüber mittelbaren Zulieferern sollen gesteigerte Pflichten bestehen. Zudem soll den Mitgliedstaaten verbindlich vorgegeben werden, zivilrechtliche Haftungsregelungen für Verstöße vorzusehen.
Erst kürzlich hat EU-Justizkommissar Didier Reynders angekündigt, eine Legislativvorschlag noch im Juni 2021 vorzulegen. Dann wird jedenfalls Klarheit darüber bestehen, ob die EU tatsächlich den Ansatz einer Richtlinie weiterverfolgt und damit eine Rechtszersplitterung im Verhältnis der einzelnen EU-Mitgliedstaaten riskiert oder ob die EU-Kommission eine (überall unmittelbar geltende) Verordnung vorschlagen wird.
Fazit und Ausblick
Zwar kann aktuell weder mit Sicherheit vorhergesehen werden, ob das deutsche Lieferkettengesetz noch vor der Bundestagswahl 2021 beschlossen wird, noch ist klar, ob die europäischen Vorgaben tatsächlich in Form einer durch die EU-Mitgliedstaaten umzusetzenden Richtlinie oder doch in Form einer Verordnung ergehen werden. Auch inhaltlich bestehen noch zahlreiche Unsicherheiten.
Aus diesem Grund sollten die nationalen und internationalen Entwicklungen weiterhin genau verfolgt werden, um rechtzeitig mit ggf. erforderlichen Umsetzungsmaßnahmen beginnen zu können. Zum aktuellen Zeitpunkt erscheint es auf Grund der bestehenden Unsicherheiten noch zu früh, mit konkreten Umsetzungsmaßnahmen zu beginnen, wenngleich es hilfreich sein dürfte, sich bereits jetzt mit der Thematik und den geplanten Vorgaben inhaltlich zu beschäftigen und ggf. eine interne Bestands- und Compliance-Analyse durchzuführen.
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