Gleichzeitig traten die relevanten Durchführungsbestimmungen des Mineralische-Rohstoffe-Sorgfaltspflichten-Gesetz (MinRohSorgG) in Deutschland in Kraft. Beide Rechtsakte haben im Kern zum Ziel, die Finanzierung von bewaffneten Konflikten zu unterbinden und (schwere) Menschenrechtsverletzungen zu vermeiden.
Zwar gab es in der EU bisher keine verbindliche Regelung hierzu. Allerdings sind diesbezügliche Vorgaben seit einigen Jahren aus den USA in Gestalt des Art. 1502 des sog. Dodd-Frank Acts (Dodd-Frank Act) bekannt. Wenngleich die inhaltliche Stoßrichtung identisch ist, bestehen dennoch gravierende Unterschiede, die bei der Umsetzung zwingend zu beachten sind.
I. Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2017/821
Vom persönlichen Anwendungsbereich ist nach Art. 2 lit. l) Verordnung (EU) 2017/821 (nur) der „Unionseinführer“ umfasst, also „eine natürliche oder juristische Person, die Minerale oder Metalle zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr im Sinne des Artikels 201 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 […] anmeldet, oder eine natürliche oder juristische Person, in deren Auftrag eine solche Anmeldung abgegeben wird […]“. Unternehmen, welche die genannten Metalle lediglich in Halbfertig- und Fertigerzeugnissen in die EU einführen oder in der Lieferkette nach dem Unionseinführer stehen, sind von der Verordnung (EU) 2017/821 hingegen grundsätzlich nicht unmittelbar betroffen. Im Gegensatz dazu sind von den Vorgaben des Dodd-Frank Acts wesentlich weitgehender alle in den USA börsennotierten Unternehmen (unabhängig vom Ort des Sitzes oder der Produktion) erfasst, bei denen die regulierten Konfliktminerale zur Herstellung oder Funktion ihrer Produkte notwendig sind.
Vom sachlichen Anwendungsbereich sind die in Anhang I der Verordnung (EU) 2017/821 genannten Minerale Zinn, Tantal, Wolfram und Gold (sog. 3TG-Minerale) und bestimmte Metalle aus und mit den genannten Mineralen erfasst. Dies deckt sich mit dem sachlichen Anwendungsbereich des Dodd-Frank-Acts.
Am schwierigsten zu bestimmen ist in diesem Zusammenhang der territoriale Anwendungsbereich, hier verstanden als diejenigen Länder und Regionen, die nach Art. 2 lit. f) Verordnung 2017/821 als „Konflikt- und Hochrisikogebiete“ gelten. Hiermit sind „Gebiete [gemeint], in denen bewaffnete Konflikte geführt werden oder die sich nach Konflikten in einer fragilen Situation befinden, sowie Gebiete, in denen Staatsführung und Sicherheit schwach oder nicht vorhanden sind, zum Beispiel gescheiterte Staaten, und in denen weitverbreitete und systematische Verstöße gegen internationales Recht einschließlich Menschenrechtsverletzungen stattfinden“. Da dies durch ein einzelnes Unternehmen kaum selbstständig bestimmbar ist, gibt es diesbezüglich mehrere nach der Verordnung (EU) 2017/821 vorgesehene Hilfestellungen:
- Empfehlung (EU) 2018/1149 der Kommission vom 10. August 2018 zu unverbindlichen Leitlinien für die Ermittlung von Konflikt- und Hochrisikogebieten und sonstigen Lieferkettenrisiken gemäß der Verordnung (EU) 2017/821 des Europäischen Parlaments und des Rates
- Unverbindliche und online abrufbare Liste der EU-Kommission mit aktuellen Konflikt- und Hochrisikogebieten (CAHARs)
Demgegenüber erfasst der Dodd-Frank Act als Konfliktregionen territorial begrenzt und abschließend festgelegt nur die Demokratische Republik Kongo und deren Nachbarstaaten (Angola, Burundi, Republik Kongo, Ruanda, Sambia, Südsudan, Tansania, Uganda, Zentralafrikanische Republik).
II. Sorgfaltspflichten
Falls die Verordnung (EU) 2017/821 im Einzelfall anwendbar ist, hat der jeweils betroffene Unionseinführer einen Prozess zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten zu implementieren, der aus fünf Schritten besteht und nachfolgend aktiv, dynamisch und situationsbedingt angewandt, fortgeschrieben und angepasst wird. Die fünf Schritte sind dabei in enger Anlehnung an die „Leitsätze für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht zur Förderung verantwortungsvoller Lieferketten für Minerale aus Konflikt- und Hochrisikogebieten“ der OECD formuliert, welche auch als Basis für die Pflichterfüllung heranzuziehen sind. Die fünf Schritte können wie folgt zusammengefasst werden:
- Einführung und Veröffentlichung belastbarer Unternehmensführungsstrategien (Managementsystem), inklusive der Einholung von Informationen zu den gegebenenfalls betroffenen Lieferketten
- Ermittlung und Einschätzung von Risiken in der Lieferkette durch Bewertung der erlangten Informationen
- Gestaltung und Umsetzung einer Risikobekämpfungsstrategie, falls im zweiten Schritt tatsächlich Risiken ermittelt wurden
- Durchführung eines unabhängigen Audits der Erfüllung der Sorgfaltspflichten – nicht erforderlich, wenn nachgewiesen werden kann, dass alle Hütten und Raffinerien in der jeweiligen Lieferkette die Vorgaben der Verordnung (EU) 2017/821 einhalten
- Bestimmte Veröffentlichungen zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten in der Lieferkette und Mitteilungspflichten an die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)
Zur Erleichterung der Erfüllung dieser Anforderungen ist es möglich, sich freiwillig einem durch die EU-Kommission anerkannten System zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten in der Lieferkette nach Art. 8 Verordnung (EU) 2017/821 (in Verbindung mit der Delegierten Verordnung (EU) 2019/429) anschließen, das gleichwertige Vorgaben wie aus der genannten Verordnung erfüllt.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung (EU) 2017/821 kein Verbot zur Verwendung von Mineralen und Metallen aus Konflikt- und Hochrisikogebieten enthält, selbst dann nicht, wenn entsprechende Risiken ermittelt wurde. In einem solchen Fall sind jedoch die unter dem 3. Schritt genannten Risikobekämpfungsstrategien einzuführen und umzusetzen.
III. Fazit
Zwar ist anzunehmen, dass eine Vielzahl der ca. 1.000 betroffenen Unionseinführer bereits auf einschlägige Erfahrungen mit dem Dodd-Frank Act zurückgreifen können. Allerdings kommt mit der Pflicht zur eigenständigen Bestimmung von Konflikt- und Hochrisikogebieten ein unbekanntes und vollständig neues Element hinzu.
Auf Grund der neu eingeführten Veröffentlichungspflichten ist zu erwarten, dass auch nachgelagerte Akteure der Lieferkette verstärkt für das Thema der Konfliktminerale sensibilisiert und zur Vermeidung eigener Reputationsschäden verstärkt Lieferkettenbestätigungen von ihren Lieferanten einfordern werden. Wie in vielen anderen Regulierungsbereichen auch, wird gerade diese marktgetriebene Einforderung von Transparenz den Umsetzungsdruck auf Unionseinführer erhöhen.
Abschließend ist davon auszugehen, dass die ersten Erfahrungen mit der Umsetzung der Verordnung (EU) 2017/821 maßgeblich in die Gestaltung der bereits seit längerer Zeit diskutierten, gesetzlichen Vorgaben zu Sorgfaltspflichten in allen Lieferketten in Bezug auf Menschenrechte und Umweltauswirkungen einfließen werden.
Haben Sie zu dieser News Fragen oder wollen Sie mit dem Autor über die News diskutieren? Kontaktieren Sie gerne: Michael Öttinger