Produktrechtlich sind Instruktionen von zentraler Bedeutung: Die Gebrauchs- bzw. Betriebsanleitung ist ein elementarer Bestandteil der (formellen und materiellen) Anforderungen an die Verkehrsfähigkeit von Produkten. So verlangt § 3 Abs. 4 ProdSG in der Bundesrepublik Deutschland das Mitliefern einer Gebrauchsanleitung in deutscher Sprache, wenn Informationen in Rede stehen, die den Schutz von Sicherheit und Gesundheit bei der Verwendung, Ergänzung oder Instandhaltung eines Produkts gewährleisten sollen. Gemeint ist damit eine verkörperte Form, sodass ohne Weiteres die Papierform, jedoch auch z.B. eine (inzwischen schon wieder überholte) CD-ROM den gesetzlichen Anforderungen genügt. Im europäischen Produktsicherheitsrecht gelten entsprechend. Sodann rechnet die Instruktionspflicht zu den wesentlichen Verkehrs(sicherungs)pflichten des Warenherstellers im Produzentenhaftungsrecht gemäß § 823 Abs. 1 BGB (entsprechend wird der Instruktionsfehler in § 3 Abs. 1 ProdHaftG verortet). Etwaige Verletzungen der Instruktionspflicht bzw. Instruktionsfehler können im Schadensfall zu Ansprüchen des Geschädigten auf Schadensersatz und gegebenenfalls Schmerzensgeld führen (§ 823 Abs. 1 BGB; § 1 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG).
In der Praxis wird bei der Ausgestaltung der Gebrauchs- bzw. Betriebsanleitung ebenso gerne wie oft auf die DIN EN 82079-1:2014-06 Erstellen von Gebrauchsanleitungen – Gliederung, Inhalt und Darstellung – Teil 1: Allgemeine Grundsätze und ausführliche Anforderungen (IEC 82079-1:2012); Deutsche Fassung EN 82079-1:2012 zurückgegriffen, zumal sie auch in Teilen eine (produktsicherheitsrechtlich relevante) Konformitätsvermutung gemäß § 5 Abs. 2 ProdSG (sog. nationaler New Approach) begründet (vgl. die Bekanntmachung im Gemeinsamen Ministerialblatt Nr. 35 vom 06. September 2019, S. 685). Mit der IEEE/IEC International Standard for Preparation of information for use (instructions for use) of products – Part 1: Principles and general requirements wurde nun kürzlich die Edition 2 der zentralen technischen Norm für die technischen Redakteure veröffentlicht (eine deutsche Fassung der technischen Norm gibt es derzeit zwar noch nicht, sie ist aber schon in Arbeit). Inhaltlich wurde die IEC 82079-1:2012 umfassend überarbeitet.
Besonders hervorzuheben sind die folgenden Neuerungen:
- Nutzungsinformationen (engl. information for use (of products) sind mehr als nur die Gebrauchs-/Betriebsanleitung
- Konzept für Information/Inhalt erforderlich, sodass eine Informationsarchitektur zu entwickeln ist
- Mut zum Minimalismus durch überarbeitete Prinzipien (Qualitätskriterien)
- Zielgruppe und Anwendungsfall sind bei der Wahl des Mediums zu berücksichtigen und damit produktspezifisch festzulegen
- Informationsmanagementprozesse werden sich auf die Rolle der technischen Redakteure auswirken, auch weil höhere Kompetenzen erforderlich sind
Fazit: Die Normung erweist sich beim Thema Digitalisierung der Gebrauchs- bzw. Betriebsanleitung als dynamischer als das Recht: Während das Recht noch stark vom Erfordernis der verkörperten Anleitung geprägt ist, wobei sogar vielfach (insbesondere von der Europäischen Kommission) noch die Papierform verlangt wird, weist die neue IEEE 82079-1:2019 bereits den Weg in Richtung eines multimedialen bzw. digitalen Ansatzes. Inwieweit und wenn ja, wann das Recht die kaum zu leugnender Entwicklung hin zu digitalen Formen der Informationsübermittlung nachvollzieht, bleibt bis auf Weiteres abzuwarten.
Zur Vertiefung: Schucht, NJW 2016, 3681 ff.
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